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Requiem für den Staat

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Mathematiker und ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner im CUL

 Von einem Naturwissenschaftler ist nicht unbedingt ein kompetenter Vortrag zu staatsphilosophischen Fragen zu erwarten. Der von Kanzler Sebastian Kurz auf einem Ticket der ÖVP ins Parlament berufene (parteifreie) Physiker und Mathematiker Rudolf Taschner, beweist im Wiener Club Unabhängiger Liberaler, dass das dennoch möglich ist.

Der Mathematikprofessor beschäftigt sich in seinem Referat mit Wesen, Auftrag und Zukunft des Staates. Er beginnt bei Thomas Hobbes´ Leviathan, und stellt die Frage „warum erst so spät?“ Alle anderen Staaten zuvor wären entweder (wie Ägypten) Theokratien gewesen oder hätten, wie die antiken griechischen Stadtstaaten, in Wahrheit gar nicht den Charakter von Staaten besessen.

 Lange vor Hobbes entwickelt Kirchenvater Augustinus von Hippo als erster die Idee eines „Nichtstaates“, also von einer keinen staatlichen Regeln unterworfenen Sphäre, indem er zwischen civitas dei und civitas terrena unterscheidet. Doch was, so fragt Hobbes, wäre, wenn es keinen Staat gäbe? Dann käme es zum Krieg aller gegen alle. Der Mensch wäre des Menschen Wolf. Um dem daraus folgenden Chaos zu entgehen (Hobbes ist ein Kind der Zeit, in der auf den britischen Inseln ein verlustreicher Bürgerkrieg tobt), tritt der Bürger seine Rechte an den Leviathan ab, um nicht unter die Herrschaft Behemoths zu geraten. Der Leviathan übernimmt die Rolle einer „Versicherung“ für die Bürger, indem er jedwede individuelle Gewaltanwendung unterdrückt.

 Am Beispiel der USA macht Taschner deutlich, wie eine gelungene Verfassung aussieht, die durch ein ausgewogenes System von „Checks and Balances“ sicherstellen soll, dass es zu keinen die Freiheit gefährdenden Fehlentwicklungen kommt. Die Hoffnung, dass jedwede Abweichung vom Ideal durch ein Stück Papier auf Dauer und für alle Zeit unterbunden werden kann, ist indes eitel. Die primäre Staatsaufgabe, zugleich Sicherheit und Freiheit seiner Bürger zu garantieren, und „Zukunft zuzulassen“ (anstatt zu versuchen, sie zu schaffen), bedeutet nämlich de facto eine „Überforderung“.

 Taschner widmet dem Phänomen des Rechtspositivismus breiten Raum und bekennt, ein Anhänger des Staatsrechtlers, Rechtspositivisten und Vaters des Österreichischen B-VG, Hans Kelsen zu sein. Er begründet sein bedingungsloses Eintreten für die „reine Rechtslehre“ mit der Feststellung, dass der Staat eben keine moralische Anstalt ist und daher nur formal Recht setzen kann. Wird von diesem Grundsatz abgewichen, ist damit die Büchse der Pandora geöffnet – mit völlig unabsehbaren Folgen.

 Für die Zukunft sieht Taschner die Gefahr einer kollektiven „Infantilisierung“ heraufziehen, da der Staat immer mehr private Belange der Bürger infiltriert und sie damit mehr und mehr jeder Eigenverantwortung entwöhnt.

 Der Rechtspositivismus beherrscht die auf den Vortrag folgende Diskussion mit dem Publikum. Hausherr Vetter eröffnet mit dem Hinweis auf der nachträgliche Legalisierung der im Zuge der Niederschlagung des sogenannten Röhm-Putsches von 1934 erfolgten Morde. Taschner fügt hinzu, dass Hans Kelsen, selbst ein von den „Nürnberger Rassengesetzen“ Betroffener, diese als rechtstheoretisch einwandfrei verteidigt hat. Vetter dazu: „Da kann ich einfach nicht mit.“

Fazit 1: Eine abschließende und letztgültig richtige Entscheidung für oder gegen ein positives Rechtssystem, scheint unmöglich zu sein.

Fazit 2: Der Titel des Vortrags war ein wenig irreführend. „Requiem für die Freiheit“ wäre, wie einer der Gäste scharfsinnig bemerkt, dem Referat eher gerecht geworden.

Fazit 3: Rudolf Taschner ist, wie auch seine zahlreichen Publikationen beweisen, nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch ein umfassend gebildeter Schöngeist, wie er heute nur noch selten anzutreffen ist.

 

Andreas Tögel

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