Vom Elfenbeinturm zur Technologie der Zukunft

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von Anton Zeilinger

Univ.Prof.Dr.Anton Zeilinger vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien hielt bei den Technologiegesprächen Alpbach 2000 am 24. August das Einleitungsreferat. Wir danken unseren Freunden vom Europäischen Forum für die Erlaubnis zum Abdruck.

"Die Presse" vom 24. Juli 2000 zitiert Vizerektor Gantner (Uni Innsbruck): "Warnung vor der Verlotterung der Universitäten" oder kürzlich Dr. Riemer Industriellenvereinigung: "Die Universitäten drohen im Mittelmaß zu versinken"

Die Universitäten wurden immer wieder beschuldigt, sich zu sehr um ihre eigene Befindlichkeit zu kümmern und zu wenig um die Probleme der Öffentlichkeit. Der Elfenbeinturm, in dem es sich so schön ohne Bezug zur Wirklichkeit, rücksichtslos, also ohne Rücksicht auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen leben lässt, wird als Paradebeispiel herangezogen.

Es werden und wurden extreme Beispiele für die angeblich sinnlose oder ineffiziente Tätigkeit der Universitäten ausgesucht und als charakteristisch in der Öffentlichkeit präsentiert.

Ab den Sechzigerjahren war es das Schlagwort der gesellschaftlichen Relevanz unter dem man von den Universitäten Rechenschaft verlangte, selbstverständlich aber nur der Relevanz, die in die eigenen ideologischen Vorstellungen bequem hineinpaßt.

Heute gibt es ähnliche Forderungen, die nicht generell, aber doch zunehmend auf die Forderung einer verstärkten Anwendbarkeit des an den Universitäten produzierten Wissens hinauslaufen. In mehreren Ländern gibt es eine starke Bevorzugung der angewandten Forschung gegenüber der Grundlagenforschung, jedoch nicht überall, wie etwa das Gegenbeispiel Japan zeigen möge.

Es ist eine klare Positionsbestimmung sowohl der Universitäten als auch der Forschung in Österreich vonnöten, insbesondere auch im Vergleich mit neuen Institutionen des tertiären Bildungssektors, wie etwa den Fachhochschulen.

Die Lehre an den Universitäten ist ausgezeichnet durch die berühmte Einheit von Forschung und Lehre, wobei Forschung primär Grundlagenforschung ist und die Lehre zu einem wesentlichen Teil Ausbildung durch Forschung.

Was ist also die Bedeutung der Grundlagenforschung?
Warum sollte sie finanziell gefördert werden?
Was soll gefördert werden?
Was ist von den Forschenden als Resultate zu fordern?
Wie findet man heraus, was gut ist und was schlecht ist in der Grundlagenforschung?

Diese Fragen sollten alle bewegen, die in irgendeiner Weise mit Wissenschaft und Forschung zu tun haben und sie müssen alle bewegen, denen die Zukunft unserer Kinder nicht egal ist.

Zuerst, was ist das eigentlich, die Grundlagenforschung?
Was macht ein Wissenschaftler/eine Wissenschaftlerin?
Was motiviert sie?

Grundlagenforschung ist wahrscheinlich am besten definiert als diejenige Forschung; deren primäre Motivation in der Vergrößerung unseres Wissens liegt, egal, ob sie zu etwas gut ist oder nicht. Es ist die Neugierde des Menschen, die uns dazu antreibt. Man spricht von "Curiosity driven research".

Wozu haben wir diese Neugierde, warum hat uns die Evolution damit ausgestattet? Offenbar war es für unsere Ururahnen gut, daß es immer welche gab, die wissen wollten, wie es hinter dem nächsten Berg aussieht. Neugierde eröffnet neue Möglichkeiten. Da hinter dem Berg kann es ja grünere Wiesen geben als hier.

Irgendeiner unserer Vorfahren hat irgendwann seine Augen zum Sternenhimmel erhoben und mit der Frage, was das ist, die wahrscheinlich erste Frage der Grundlagenforschung gestellt. War das vor etwa 2 Millionen Jahren, zu Zeiten Lucies, oder war es vor 200 000 Jahren, als die ersten modernen Menschen die Erde bevölkerten?

Die Frage nach der Natur der Sterne ist gleichzeitig auch eine Frage nach der Natur von uns selbst. Wir haben sehr viel gelernt über unsere Stellung im Kosmos. Die Geschichte der Astronomie ist gleichzeitig die Geschichte des Verlustes unserer eingebildeten Sonderstellung in der Welt. Die Erde ist schon lange nicht mehr im Zentrum der Welt, auch die Sonne nicht mehr. Wir haben auch gelernt, daß Planeten der Regelfall sind und die meisten Sterne wohl solche besitzen. Es ist wohl nur mehr eine Frage der Zeit, wann wir Leben auf anderen Sternen entdecken, ein wenig länger wird es dauern, ehe wir intelligentes Leben entdecken werden.

Wir machen Grundlagenforschung, wofür die Astronomie ein klares Beispiel ist, offenbar ganz einfach aus Neugier. Wozu ist das gut? Nun, Sie werden sagen, das kann man zu nichts brauchen, das ist aber trotzdem interessant und wir Menschen sollten das machen. Das ist vielleicht genauso wie mit einer Oper oder einer Symphonie. Es ist einfach Teil der menschlichen Kultur, Teil des Menschseins.

Aber Sie werden einwenden, es ist schon gut, wenn einige Wissenschaftler so was machen, aber das muß doch die Ausnahme sein. Es ist doch viel besser, wenn was Nützliches produziert wird. Außerdem ist es ja viel zu leicht, völlig den Faden zu verlieren und sich in irgendein akademisches Problem zu versteigen. Man kann doch nicht alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen tun und lassen was ihnen so einfällt.

Woran erkennt man, ob eine bestimmte Arbeitsrichtung in der Grundlagenforschung letztendlich zu etwas Nützlichem führen wird? Unbestritten hat ja die Grundlagenforschung nicht nur Unglaublich viel über die Welt erzählt, sie hat auch die Grundlage für unsere gesamte Technologie gelegt.

Kann und soll Grundlagenforschung aus ihrem möglichen Nutzen definiert werden? Wie würde man dabei vorgehen?

Ein berühmtes Beispiel ist der deutsche Physiker Heinrich, der Entdecker der Raiowellen ca. 1880). Er benötigte natürlich Geld dafür und beantragte eine finanzielle Förderung bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Er erhielt sein Geld, weil, wie es damals hieß, der Nachweis dieser Wellen der Schlußstein unter die Maxwellsche Theorie wäre. Und, so in Gutachten zweier damals berühmter Professoren, man solle ihm das Geld trotzdem geben "obwohl es wohl nie zu einer praktischen Anwendung kommen wird."

Niemand hat damals geahnt, daß Hertz mit seiner Entdeckung der Radiowellen die Grundlage zu einer der größten Technologien legen würde. Ohne ihn gäbe es keinen Rundfunk, kein Fernsehen, kein Handy und auch keine milliardenschweren Lizenzen.

Man sollte nicht über die Blindheit der Menschen damals lächeln, sondern die Lehre ziehen, daß es offenbar bei wirklich tiefen neuen Entwicklungen in der Grundlagenforschung nicht möglich ist, Anwendungen vorherzusehen. Es ist daher das Kriterium der Anwendbarkeit ein grundsätzlich Untaugliches.

Was sind also die Kriterien für Grundlagenforschung?br> Hat jeder den berechtigten Anspruch unter Berufung auf die in Österreich sogar verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Forschung und Lehre zu forschen was er will und dafür noch Förderungen zu verlangen?

Hier kann offenbar das einzige anwendbare Kriterium nur das sein, höchste Qualität des Geleisteten zu verlangen, eine Steuerung der Inhalte ist grundsätzlich nicht möglich. Hätte man zu den Zeiten von Hertz ein Forschungsprogramm zur Verbesserung der Telekommunikation gestartet, hätte man sicherlich nicht ihn gefördert. Wirt hätten dann wohl heute die beste Tinte und Postkutschen mit den ausgeklügeltsten Details.

Allerdings ist das Qualitätskriterium in aller Härte und Klarheit anzuwenden. Robert May, der bisherige Wissenschaftsberater der britischen Regierung und neugewählte Präsident der Royal Society hat im britischen Wissenschaftsmagazin Nature kürzlich sehr überzeugend argumentiert, daß der sogenannte Peer Review in der Wissenschaft die gleiche Rolle spielt wie der freie Markt in der Wirtschaft. Beim Peer Review werden die Forschungsarbeiten und ihre Ergebnisse einem Review, also einer Beurteilung durch Fachkollegen unterworfen. Je besser die Reviewer, um so punktsicherer die Beurteilung.

Es wird von manchen Wissenschaftlern oft eingewendet, dass eine Bewertung und Beurteilung von Grundlagenforschung im Konflikt mit der unbedingt nötigen Freiheit der Forschung stehe. Dies ist ein Missverständnis. Ich zitiere hier den ehemaligen Präsidenten des M.I.T. Paul Gray, dem ich diese Frage stellte. Seine Antwort war ganz einfach: Jeder Professor am M.I.T. hat die Freiheit sich auszusuchen, woran er arbeiten will, welche Forschungsziele er/sie verfolgen möchte. Er/sie wird jedoch dann knallhart beurteilt, ob das auf diesem selbstgewählten Gebiet Geleistete dann auch zu absoluten Spitzenergebnissen geführt hat.


Aus meiner eigenen Erfahrung darf ich Ihnen vielleicht auch etwas erzählen. Als ich mich Anfang der Siebzigerjahre für die Grundlagen der Quantenphysik interessiert hatte, erhielt ich den wohlmeinenden Rat einiger Kollegen, daß ich mich etwas Interessanterem zuwenden sollte. In der Quantenphysik sei alles klar und ich würde nur meine Zeit vertun.

Ich hatte zum Glück die Freiheit, trotzdem zu tun, was mich interessierte. Mein einziges Motiv war die Tatsache, daß ich einfach nicht verstand, worum es ging. Die Quantenphysik hat zu viele Konsequenzen, die vollkommen jeder Intuition, jedem gesunden Menschenverstand widersprechen. Ein wunderschönes Beispiel dazu ist Schrödingers Katze, die in einer Überlagerung von "tot" und "lebendig" existieren sollte.

Der Peer Review hat meine ersten Forschungsprojekte gerettet und heute, etwa ein Vierteljahrhundert später kann ich zu meiner großen Überraschung sehen, daß genau die eigentlich philosophischen Fragestellungen, die mich anfangs motivierten heute zur Grundlage einer neuen Technologie zu werden scheinen, die durch Schlagworte wie den Quantencomputer und Teleportation weltweites Interesse gefunden haben.

Diese Geschichte ist sehr spannend; weil sie noch lange nicht abgeschlossen ist. Es gibt derzeit ein weltweit starkes Interesse an dieser neuen Technologie, obwohl niemand genau weiß, wozu es gut sein wird und es gibt einen internationalen Wettlauf, bei dem Österreicher ausnahmsweise einmal die Nase vorn haben. Die für die Industrieforschung zuständige Generaldirektion der Europäischen Kommission hat ein Programm zur Förderung von Quantum Computation und Quantum Information gestartet , d erstmals ein Programm ohne ein konkret verwertbares Ziel zu verlangen.

In der Zwischenzeit stellt sich dann die Frage, wozu wir an den Unis dann etwa in meiner Gruppe, ausbilden. Lernen die jungen Leute etwas Nützliches, etwas, das sie im Leben brauchen können, was bringen sie mit?

Dazu vielleicht eine kurze Erklärung, wie Forschung in einer modernen experimentellen Arbeitsgruppe abläuft. Hier arbeiten typischerweise 3 – 5 Leute an einem Experiment. Da gibt es einen älteren Supervisor, ein bis zwei Post-Docs, die schon ein Doktorat besitzen und eine wissenschaftliche Laufbahn ergreifen wollen und je 1-2- Diplomanden und Dissertanten. Sie sehen schon, daß durch diesen Generationenmix Wissen direkt an die Jungen weitergegeben wird.

Was lernen die Jungen dabei? Vor allem zwei Dinge:

  1. Umgang mit modernster Hochtechnologie. Man ist nur dann international konkurrenzfähig, wenn man über die aktuellsten Geräte verfügen kann. In unserem Bereich geht es um Informationsverarbeitung im breitesten Sinn, Datenerfassung, Messung und Analyse der Daten- bei einigen unserer Geräte gibt es weltweit nur einen einzigen Erzeuger, oft ein sehr kleiner Betrieb irgendwo in der Welt, wo jemand eine clevere Idee für ein neues Gerät versucht, kommerziell auszuschlachten.

    Dazu eine Problemdarstellung und ein Appell:

    An unserem Institut sind derzeit Computer in Forschung und Lehre im Einsatz, die eine Gesamtinvestition von öS 6 Mio repräsentieren. Bei einem modernen Betrieb sollte man etwa 20 – 25 % pro Jahr erneuern. Das bedeutet 1.2 – 1.5 Mio pro Jahr Investitionsbedarf pro Jahr allein zur Erneuerung. Heuer erhält unser Institut öS 400 000.- an Investitionsmittel für alles, nicht nur für Computer. Das ist schlicht eine Katastrophe.

  2. lernen die jungen Leute die Fähigkeit; Probleme allgemeinster Natur zu lösen. Wobei das Wichtige das besondere Herangehen an ein Problem ist und weniger die konkreten Fertigkeiten, die jemand erlernt. Es geht um ein logisch-analytisches, rationales Herangehen an ein Problem was schon mit der genauen Definition des Problems beginnt mit dem selbst finden des Problems. Offenbar lernen die jungen Leute nicht nur, physikalische Probleme zu lösen. Es gibt gerade in den USA, aber auch bei uns einen immer stärkeren Trend, daß Physiker sogar von Consulting Firmen, von Finanzinstitutionen oder von Wall Street Companies sehr gerne genommen werden. Das geht so weit, daß etwa von den Absolventen eines Physikjahrgangs an der Harvard Universität nur mehr ein geringer Teil in der Physik bleibt. das erzeugt natürlich ein Nachwuchsproblem für die Physik. Die USA können dem leicht entgegnen, indem Post-Docs fast ausschließlich Ausländer sind, hier vorwiegend aus dem asiatischen Raum.

Europa das gleiche Problem:

Letztes Jahr Annual Meeting of the Finnish Physical Society
Panel Dicussion über die Frage, wie man die Zahl der Physiker vergrößern kann.
Beteiligung des Vizepräsident von Nokia.

Auch in Deutschland haben wir eine Dynamischen Akademikerarbeitsmarkt. FAZ vom 29. Juli durchschnittlich im ersten Halbjahr 2000 + 24 Prozent Stellenangebote für Akademiker, bei Naturwissenschaftlern + 29 Prozent.

DPG und EPS machen auf diese Problem in großem Stil aufmerksam.

"Die Welt" vom 6. Juli 2000 beklagt den Mangel an Physikern und beschuldigt die Industrie zu kurzsichtig zu agieren. Man habe etwa Ende der 80er, Anfang der 90er Jahr, alles zu viele ausgebildete Physiker gab, zu wenige angestellt, wodurch diese Leute in andere Berufe abgewandert sind.

Bei den Mathematikern gibt es ähnliche Probleme. Ich erinnere an den kürzlichen Aufruf der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft, dass angesichts des hervorragenden Arbeitsmarktes für Mathematiker ein großer Bedarf besteht.

Ich merke das auch in meiner eigenen Gruppe. Es gelingt immer schwerer, gute junge Leute an der Universität zu halten. Erst kürzlich ist haben zwei junge Frauen mit einem Doktorat aus meiner Arbeitsgruppe hervorragende Angebote aus der deutschen Industrie angenommen, bei Gehalten, mit denen wir nicht einmal annähernd Schritt halten können.

Eine Geschichte dazu aus eigener Erfahrung:
Ein junger Absolvent meiner Arbeitsgruppe, Diplom und Doktor ging zu einer Firma, die Telekommunikationslösungen im großen Stil installiert.
Vor kurzem hatte ich zufällig getroffen und gefragt, wie er zurechtkommt.
Antwort: Anfangs große Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Kollegen, die aus HTL oder FH kamen. Die konnten einfach mehr in den Details der Technologie.
Mittlerweile hat er die Nase vorne, weil sich die Technologie so schnell entwickelt, daß die Kollegen mit ihrem Spezialwissen zurückbleiben und er mit seiner fundamentalen Ausbildung sich schneller umstellen kann. Da kommt ihm gerade das zugute, was er gelernt hat, die umfassende Problemlösungskapazität.

Es besteht also für die Unis keinerlei Grund, gegenüber den FHs Minderwertigkeitsgefühle zu entwickeln. Wenn, wie es kürzlich hieß, die Industriellenvereinigung meint, die Fachhochschulen hätten bei der Bildung die Nase vorne, dann wird hier erstens Bildung mit Ausbildung verwechselt und zweitens scheint man von den Dingen, die ich oben erzählt habe, nichts zu wissen.

Hier zum Abschluß einige Thesen:

  1. Erarbeitung eines Österreichischen Bildungs- und Ausbildungskonzeptes, das alle Bildungsinstitutionen umfasst. Hier bietet die Zusammenfassung der Kompetenzen in einem gemeinsamen Ministerium eine einmalige Chance.
  2. Das Ausbildungsziel aller Institutionen und damit auch der Universitäten ist klarer zu definieren und gegenüber anderen Anbietern abzusetzen
  3. Es müssen Mechanismen geschaffen werden, die eine echte Bewertung der Qualität des Geleisteten ermöglichen, diese Bewertung muß dann aber in der Ressourcenzuteilung Konsequenzen haben.
  4. Dies ergibt automatisch die Notwendigkeit, Konkurrenzmechanismen spielen zu lassen. Die immer wieder, gerade auch in der Physik andiskutierte Auflassung von Studienstandorten geht am Bedarf vorbei und hat dieselbe Qualität wie das Verlangen nach Zusammenlegung aller Mittelschulen in Wien, da sie ja das gleiche unterrichten. Ausnutzung des Konkurrenzpotentials wäre besser.
  5. Die durch die Universitätspolitik seit dem UOG 1975 geschaffene Gruppenuniversität ist ein historisches Kuriosum, das in der Welt seinesgleichen sucht und zu unglaublichem internen Verlust an Energien durch zu viele Gremien und Kommissionen führt.
  6. Die Universitäten leiden an Überregulierung und zuviel Bürokratie. Wir brauchen mehr freie Luft zum Atmen. Die Verlagerung vieler Entscheidungen in den autonomen Bereich der Universitäten hat keineswegs zu einer Reduktion des gesamten Administrationsaufwandes geführt.
  7. Es sollten alle Entscheidungen so weit unten wie möglich angesetzt werden. Institute als kleinste Einheiten sollten über ein Globalbudget verfügen und selbständig darüber entscheiden dürfen, ob sie die Mittel für Personal oder Investitionen verwenden.
  8. Die einzelnen Entscheidungsträger sollten maximalen Spielraum bekommen, allerdings dann auch volle Rechenschaft geben müssen. Wer beurteilt heute einen Institutsvorstand. Eine Dekanin, einen Rektor, ob die getroffenen Entscheidungen die besten waren?

Nun noch einige Bemerkungen zur Forschungspolitik:

Der Versuch der Erarbeitung einer gemeinsamen Zielvorstellung ist ein guter Ansatz. Weniger gut dabei ist, wenn man alle Gruppen, Grüppchen und Interessenvertretungen mitreden läßt. Dadurch lassen sich nicht Spitzenleistungen erzielen.

An den diesbezüglichen Enqueten des letzten BM habe ich nur einmal teilgenommen, da mir der Forschungsbetrieb nicht mehr Zeit läßt. Mein dort gemachter Vorschlag: "Sehen Sie sich die besten Gruppen in Österreich an und fragen Sie die, wie sie arbeiten, wo ihre größten Probleme liegen." Wurde leider nicht aufgegriffen. Ich ergänze daher: Lassen Sie Personalvertreter oder sonstige Vertreter dabei beiseite.

Was offenkundig in Österreich fehlt, sind Institutionen analog zu den Max Planck Instituten in Deutschland. Hier kann man durchaus mit neuen Ansätzen aufwarten. Vielleicht wären solche Institute, die wieder nur auf höchstem Qualitätsniveau angesiedelt sein dürfen, in einer Pilotphase auf etwa 5 Jahre befristet auszutesten.

Auch in der Ausbildung im primären und sekundären Bereich ist viel zu tun:

Es geht darum, den Menschen die ordnende Macht der Naturwissenschaften klarzumachen und das unglaubliche Verständnis der Welt, das wir in den Naturwissenschaften erreicht haben. Ich denke, hier wird Robert Park mehr sagen.

Es muß den Menschen auch klar werden, dass die Naturwissenschaften Teil unserer Kultur und damit unserer Identität sind.

Wir brauchen daher eine neue Art des Lehrens der Naturwissenschaften an den Schulen.

Hier haben wir wie kürzlich in der FAZ bemerkt wurde, gerade im deutschsprachigen Raum ein besonderes Defizit. In den USA hat man in den letzten Jahren unglaubliche Brücken zwischen den Kulturen gebaut. Am Broadway gibt es immer mehr Stücke zu sehen, die sich mit Mathematik und Naturwissenschaften auseinandersetzen. Ein prominentes Beispiel ist Michael Frayn's Copenhagen. Aus Anlaß von dessen Premiere ein Symposium stattfand über einerseits Quantenphysik und andererseits die Geschichte der Atombombe. Karten dafür waren selbst auf dem Schwarzmarkt nur mehr schwer zu erhalten.

Hier haben wir offenbar die Langzeitfolgen einer Wertehaltung des Deutschen und auch Österreichischen Bildungsbürgertums. Oswald Spengler spricht etwa von der kalten Hand der Rationalität Noch immer ist es durchaus schick, zuzugeben, nicht zu wissen, wer Schrödinger war. Nicht zu wissen wer Mozart war, ist natürlich blamabel. Die kulturellen Leistungen der beiden sind natürlich ebenbürtig. Eine der wenigen Ausnahmen ist Hans Magnus Enzensberger. Ich erinnere etwa an sein nettes Büchlein. "Der Zahlenteufel"

Dabei brauchen wir nur bei Jules Verne nachzulesen:

Die Wirklichkeit liefert uns Tatsachen, die so romantisch sind, daß jede Phantasie dagegen verblaßt.

Ich darf abschließen mit Werner von Siemens, der 1883 zum technischen Fortschritt bemerkte:

"Die naturwissenschaftliche Forschung bildet immer den sicheren Boden des technischen Fortschritts, und die Industrie eines Landes wird niemals eine internationale, leitende Stellung erwerben und sich halten können, wenn das Land nicht gleichzeitig an der Spitze des naturwissenschaftlichen Fortschritts steht.

DIESE HERBEIZUFÜHREN IST DAS WIRKSAMSTE MITTEL ZUR HEBUNG DER INDUSTRIE."