NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn spricht im CUL zum Thema Wird in Österreich der Wirtschaftsliberalismus entsorgt?
Unternehmer sind im Hohen Haus am Ring dünn gesät. Einer davon, der Hotelier Sepp Schellhorn, der im Salzburger Land drei Betriebe mit zusammen rund 100 Mitarbeitern führt und für die NEOS im Parlament sitzt, ist einer dieser wenigen.
„Der Wirtschaftsliberalismus kann schon aus dem Grund nicht entsorgt werden, weil es ihn hierzulande niemals gab.“ Mit diesem Satz leitet Schellhorn sein Statement ein. Österreich ist ein Kammerstaat mit einer von den Sozialpartnern gebildeten „Schattenregierung“. Den Kampf gegen die Pflichtmitgliedschaft (nicht nur die bei der WKO) sieht er als eines seiner wichtigsten Anliegen. Er tritt für das Prinzip der Freiwilligkeit ein und nennt die Hoteliersvereinigung als Beispiel. Wer sich um seine Mitglieder bemühen muss, wird das – im Gegensatz zu einer oktroyierten Vertretung - auch tatsächlich tun, um im Spiel zu bleiben. Auch der bestehenden Gewerbeordnung steht er kritisch gegenüber. Diese behindert nach seiner Meinung Betriebsgründungen, bewahrt die Claims der Alteingesessenen und steht damit dem Fortschritt im Wege.
Der hierzulande praktizierte Föderalismus beschränkt sich laut Schellhorn auf einen reinen Förderungsföderalismus und sollte dringend reformiert werden. Dazu gehört ein Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern, die innerhalb eines gewissen Korridors selbst Steuern erheben sollten.
Zu den aktuellen politischen Geschehnissen im Lande stellt er fest, dass die NEOS jedenfalls mit sauberen Händen dastehen und sich auf eine absolut transparente Weise finanzieren. Kanzler Kurz sieht er durch die Ereignisse der letzten Tage entzaubert. „Kurz ist kein Shootingstar mehr.“ Vielmehr sei er zum Passagier in einer außer Kontrolle geratenen Maschine geworden. Den angekündigten Misstrauensantrag gegen ihn werde seine Fraktion dennoch nicht unterstützen, da diese das Interesse der Republik an Stabilität über parteipolitisches Kalkül stelle.
In der anschließenden Publikumsrunde erläutert Schellhorn seine Ziele für den (eher unwahrscheinlichen) Fall einer Regierungsbeteiligung der NEOS. Etwa eine substanzielle Steuerreform, inklusive einer Abschaffung der „kalten Progression“, die bisher zwar von einigen Finanzministern versprochen aber niemals umgesetzt wurde. Ein umfassendes Steuerkonzept werde seine Fraktion demnächst vorstellen.
Auch die Sozialversicherung, insbesondere das Pensionssystem, bedarf einer Reform. Hier spricht er von einem Konzept, das Einsparungen in der Höhe von 8,5 Mrd. Euro vorsieht. „Die NEOS wollen weg von der Pflichtversicherung hin zur Versicherungspflicht.“
Die Digitalisierung muss entschlossen vorangetrieben werden, weil sie von entscheidender Bedeutung für den Wirtschaftsstandort ist.
Die NEOS treten für eine klare Trennung von Staat und Religion ein. „Religion ist Privatsache“.
Auch das Schulsystem muss endlich den Erfordernissen der Gegenwart Rechnung tragen. Eine Weichenstellung im Alter von 14 Jahren sei zu früh. Schellhorn plädiert daher für die Einführung einer „mittleren Reife“ mit 17 Jahren, ein Alter, in dem die Jugendlichen schon eher eine Vorstellung davon hätten, wo ihre Interessen liegen.
CO2 – Steuern sollen eingeführt werden – und zwar EU-weit. „Hier sollte der Staat mit Steuern steuern“ und lenkend eingreifen. Man sollte über die Vergabe von „ÖKO-Punkten“ nachdenken.
Dem Fachkräftemangel soll mit gesteuerter Migration begegnet werden. Gleichzeitig sollte weniger „akademischer Müll“ (sic!) produziert werden.
Der Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern wird eine klare Absage erteilt. Privatisierungen steht Schellhorn grundsätzlich positiv gegenüber, wenn auch nicht uneingeschränkt in allen Betriebsfeldern.
Das Fach „Wirtschaft“ sollte an den Schulen endlich wieder gelehrt werden. Von wem bleibt, angesichts des vollständigen Mangels an dafür kompetenten Lehrkräften, indes offen.
Andreas Tögel