Wie schlimm ist der Standard?

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Garantiert wirtschaftliche Unabhängigkeit Qualitätsjournalismus?

Den Standard als das österreichische Qualitätsmedium zu positionieren war offensichtlich die beabsichtigte Wirkung des Kommentars von Oscar Bronner vom 9. März.1) Wieso dieses Eigenlob in die Kategorie Waschmittelwerbung im Sinne von „der Standard wäscht weißer!“ fällt, möchte ich hiermit argumentieren:

Tatsechen und Mainungen

Die Wende zu Schwarz-Blau hat auch das Bronnerblatt gewendet. Im Zuge der Hinwendung zum mehr oder weniger regierungsfähigen Koalitionspopulismus hat sich die Blattlinie des Standards als „liberale Tageszeitung [...] unabhängig von Interessensgruppen“ 2) von der Konzeptionierung einer klassisch liberalen Qualitätszeitung endgültig verabschiedet. Die neue Volksstimme agiert als linkes Verkündungsorgan der selbst ernannten anti-neoliberalen und globalisierungskritischen politischen Kräfte in diesem Land. Nun sehe ich eine Berechtigung darin auch über neue politische Strömungen zu berichten, Sprachrohr zu werden wäre jedoch nicht zwangsweise nötig. Mit Zivilgesellschaft hat dies alles relativ wenig zu tun, sofern man unter Zivilgesellschaft mehr versteht als anti-schwarz-blaue Widerständler. Die klare Trennung zwischen Tatsachen und Meinungen ist im Auflösen begriffen. Selbst wenn die Fotos nicht immer größer und die Artikel immer kleiner geworden wären, wäre ich sogar als überzeugter Linker zum Schluß gekommen, dass das rosa Blättchen mit Qualitätsjournalismus nur mehr wenig zu tun hat.

Wenn der Standard am 5. Februar 2002 1:1 eine Presseausendung der KPÖ, in welcher der Wienbesuch Bill Gates kritisiert wird, publiziert so erinnert mich dies an das vom ORF gesendete Selbstinterview des Kärntner Landeshauptmannes und untermauert meine These vom Verkündungsorgan.

Wenn der Standard mit einer täglich exorbitant steigenden Trefferwahrscheinlichkeit mit dem Begriff Neoliberalismus die Standardleserschaft befriedigt, so ist dies nicht nur ideengeschichtlich völlig widersinnig sondern darüber hinaus Methoden der Krone, die mit dem Unwort „Schübling“ paternalistisch die C-Schicht bedient, sehr ähnlich. Der Begriff Neoliberalismus wird in dieser „liberalen“ Zeitung insofern völlig falsch verwendet, da er unter einer völlig anderen Begrifflichkeit auf die sozialliberale Freiburger Schule der 30er Jahre zurück geht.

Und wenn auf den Standard-Außenpolitikseiten vom vergangenen Samstag ein Foto Le Pens mit Frage „Würden Sie diesem Mann 20 dkg Pressschinken abkaufen?“ kommentiert wird, so mag dies zwar ironisch sein, Tatsachen und Meinungen werden dann aber nicht mehr streng getrennt. Dieser Abschied vom Qualitätsmedium erfolgt in vielen kleinen Schritten, wie auch diese drei Beispiele „nur“ subtil sind. Ein einziger Blick in den Standard genügt um zu erkennen, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit kein alleinig ausreichendes Qualitätskriterium sein kann.

Medienwüste statt Medienlandschaft

Sofern jemals von einer Medienlandschaft in Österreich gesprochen werden konnte, so ist jetzt abseits von einigen Orchideengewächsen nur mehr eine Medienwüste übriggeblieben. Dazu hat nicht nur die Formil und Mediaprint Kartellbildung beigetragen, sondern auch der Standard. Auf das alltägliche österreichische Polittheater mit Inszenierungen wie jüngst „Eine Reise nach Bagdad“ kann ich problemlos verzichten, auf ein Substandard Abonnement ebenso. Und dennoch schmerzt dies, weil diese Zeitung seit meiner Kindheit ein Fixpunkt meines Lebens war. Es bleibt zu hoffen, dass jemand wie Oscar Bronner wieder einmal einen großen Wurf leistet. Dieses Land hätte nicht nur wirtschaftlich unabhängige Zeitungen nötig, sondern Qualitätsjournalismus ebenso. Bis dahin werde ich wohl die NZZ lesen.

derStandard.at – Newsroom                                                                                     Seite 1 von 1

03.02.200222:45:00 MEZ

Umfrage: Keine Mehrheit für Schwarz-Bla

29 Prozent der Bevölkerung für Fortführung der Koalition - 58 Prozent unterstützen EU-Erweiterung

Wien - Zur Halbzeitbilanz der schwarz-blauen Regierung sprechen sich nach einer von den Bundesländer- Zeitungen in Auftrag gegebenen OGM-Umfrage 29 Prozent für eine neuerliche Koalition von ÖVP und FPÖ aus. 23 Prozent würden eine Regierung von SPÖ und ÖVP bevorzugen, 20 Prozent eine rot-grüne Koaliton, vier Prozent sprechen sich für rot-blau und drei Prozent für schwarz-grün aus. In der Wählergunst liegt die SPÖ mit 35 Prozent voran, die ÖVP kommt auf 27 Prozent, die FPÖ auf 25 und die Grünen auf 12 Prozent.

Befragt, wer in der Regierung den Ton angibt, nannten 40 Prozent Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V). An zweiter Stelle liegt der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (F) mit 34 Prozent. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) kommt nur auf elf Prozent.

Der Wechsel von rot-schwarz zur ÖVP-FPÖ-Regierung wird von 46 Prozent als negativ gesehen. Nur 39 Prozent halten ihn für positiv. Das Ansehen Österreichs innerhalb der EU wird von 17 Prozent als sehr gut, von 39 Prozent als eher gut, von 33 Prozent als weniger gut und von 10 Prozent als gar nicht gut bewertet.

Zur EU-Osterweiterung weist die von den Bundesländer-Zeitungen (Kleine Zeitung, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten, Oberösterreichische Nachrichten und Salzburger Nachrichten) in Auftrag gegebene OGM-Umfrage einen Zustimmungsgrad von 58 Prozent aus. 36 Prozent sind dagegen.(APA)

Quelle: © derStandard.at

 


 

1 „Beschränkt wirtschaftliche Abhängigkeit zwangsläufig die Urteilsfähigkeit?“ Der Standard, 9. März 2002
2 Quelle: Impressum (der Standard) – 19. Jänner 2001

Julian Rauchdobler ist Student und ehemaliger Standardleser.

Eine bemerkenswerte, zu den obigen Ausführungen durchaus passende Überschrift lieferte „Der Standard“ am 3.2.2002. Einem Artikel, in dem berichtet wurde, daß zur Halbzeitbilanz der schwarz-blauen Regierung die relative Mehrheit der Bevölkerung sich für die Fortsetzung dieser Koalition ausspricht (29% Befürworter gegenüber nur 23% Befürworter von rot-schwarz und nur 20% Befürworter von rot-grün), und in dem weiters berichtet wurde, daß die diese Koalition bildenden Parteien in dieser Umfrage die absolute Mehrheit (52%) hinter sich vereinigten, wurde der bemerkenswerte Titel gegeben: „Keine Mehrheit für Schwarz-Blau“. Ich gebe diesen Artikel als Originalzitat im Folgenden wieder. Es ist vielleicht ein Zeichen eines schlechten Gewissens, daß dieser Artikel aus dem Internet-Archiv des Standard verschwunden ist.

 

Rainer Ernst Schütz

 

Quelle: © derStandard.at


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