Großbaustelle Justiz – was auf die neue Regierung zukommt

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Um zu diesem brisanten Thema zu sprechen, war Mag. Sabine Matejka, Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, zu Gast im CUL.

Sabine Matejka, die das Bezirksgericht Floridsdorf leitet, stellte, ehe sie zum Thema sprach, die Standesvertretung der Richterschaft vor. Die 1907 gegründete Vereinigung, zeichnet sich durch parteipolitische Unabhängigkeit aus. Rund 95 Prozent der Richterschaft der Zivil- und Strafgerichte gehören ihr an. Bei den relativ neuen Verwaltungsgerichten sind es (noch) etwas weniger.

Matejka beklagt, dass im Justizwesen seit Jahren personell und materiell gespart und damit die Effizienz des gesamten Systems reduziert wird. Es mangelt insbesondere an Schreibkräften und Rechtspflegern. Dass sich Richter darum kümmern müssen, Dolmetscher und Gutachter für ihre Verfahren aufzutreiben, weil es schlicht an Assistenzpersonal fehlt, ist blamabel. Die in den zurückliegenden Jahren geübte Praxis, nur jede zweite frei werdende Dienststelle neu zu besetzen, beginnt sich nun zu rächen. Bei den nichtrichterlichen Mitarbeitern fehlt es auch an Nachwuchs – zum Teil deshalb, weil andere Behörden unbefristete Verträge und eine bessere Bezahlung bieten als die Justiz.

Die Digitalisierung („Justiz 3.0“) stellt das System vor neue Herausforderungen – auch solche personeller Natur. Es werden dadurch zwar weniger klassische Kanzleikräfte, dafür aber mehr IT-Fachleute gebraucht. Der „elektronische Akt“ wird daher zwar viele verfahrenstechnische Vorteile, aber kaum Kosteneinsparungen bringen. In der Übergangsphase werden papierene und elektronische Akten parallel zu bearbeiten sein, was in dieser Zeit höhere Kosten verursachen wird. Derzeit ist die apparative Ausstattung der Justiz mangelhaft. Es fehlt in vielen Dienststellen an den nötigen EDV-Einrichtungen (z. B. modernen Verkabelungen), was in der nächsten Zeit kostspielige Investitionen erfordern wird.

Die Justiz verfügt derzeit über keine Mittel, um ihre Arbeit in der Öffentlichkeit darzustellen. Demensprechend mangelhaft ist das Bild, das Otto Normalverbraucher sich vom Justizwesen macht. Mit Justiz assoziieren viele Bürger allenfalls einen Mordprozess. Dass auch Handels- Familien- und Zivilgerichtsbarkeit, sowie die Führung von Firmen- und Grundbuch zu den Aufgaben der Justiz gehören, wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter hat unter dem Titel „Ressourcen für den Rechtsstaat“ eine zehnseitige Wunschliste ausgearbeitet, die dem Justizminister der kommenden Bundesregierung auf den Tisch gelegt wird. Die darin enthaltenen Forderungen laufen allesamt auf mehr Geld und mehr Personal hinaus.

Matejka lobt den derzeit amtierenden „Übergangsminister“ Clemens Jabloner dafür, einen „Wahrnehmungsbericht“ formuliert zu haben, der die derzeit dringend notwendigen Investitionen zusammenfasst, die mit einem Wert von rund 90 Millionen Euro (zusätzlich) zu Buche schlagen.

In der an den Vortrag anschließenden Diskussion bestätigt Matejka, dass der Frauenanteil in der Richterschaft mittlerweile die 50-Prozent-Marke überschritten hat und räumt ein, dass das mit der „guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zu tun hat. Die von ihr geäußerte Mutmaßung, dass es sich in der Privatwirtschaft heute auch nicht mehr anders verhalten würde, ist wohl ihrem Mangel an einschlägigen Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes geschuldet.

Der Kritik an der mangelnden Präsenz vieler Richter an ihren Dienststellen, widerspricht Matejka nicht. Mit der Digitalisierung werde sich das vielmehr weiter verstärken, weil vermehrt von zu Hause aus gearbeitet werden wird. „Am Ende muß die Arbeit erledigt sein, von wo aus auch immer das getan wird“. Der Druck auf die Richterschaft sei jedenfalls kräftig gestiegen, wenngleich einzuräumen ist, dass disziplinarische Maßnahmen sehr hochschwellig angelegt sind.

Das laut aktueller Umfragen herrschende Imageproblem der Justiz ist der bereits im Vortrag genannten mangelnden Kommunikation geschuldet. Allerdings wirke sich der zunehmende Verdacht, dass Unterlagen (wie gemutmaßt wird, von Staatsanwälten,) gezielt an Medien wie den „Falter“ gespielt werden, tatsächlich verheerend auf das Bild der Justiz aus. Matejka jedenfalls sieht keine Möglichkeiten, von sich aus dagegen vorzugehen.

Gegen die Auslagerung bestimmter Verfahren, die derzeit von der staatlichen Justiz geführt werden, an private Schiedsgerichte (etwa wegen der extrem hohen Verfahrenskosten bei hohen Streitwerten), äußert die Richterin Bedenken. Rechtsprechung sei schließlich ein Grundpfeiler des Staatswesens, für einen Rechtsstaat unerlässlich, und sollte daher nicht aus der Hand gegeben werden.

Der Kritik an der Verwendung einer „justiziellen Geheimsprache“ schließt sich die Richterin an. Auch der einfache Mann habe ein Anrecht darauf, zu verstehen, was Sache ist. Standesdünkel dürften nicht dazu führen, sich (etwa in Urteilen und den dazugehörigen Begründungen) möglichst unverständlich auszudrücken.

Matejka plädiert dafür, dass Richter nicht lebenslänglich an derselben Dienststelle sitzen bleiben und auf diese Art einen „Tunnelblick“ entwickeln. Auch Tätigkeiten in völlig justizfremden Bereichen wäre durchaus wünschenswert, um den Gedankenhorizont zu erweitern.

Die Zahl der Zivilverfahren zeigt seit Jahren eine rückläufige Tendenz. Das hat u. a. damit zu tun, dass man bei den meisten Händlern im Internet heute ohne Kreditkarte nicht mehr einkaufen kann und daher einschlägige Forderungsklagen unterbleiben.

Der nächste Justizminister sollte, so der Wunsch Matejkas, günstigstenfalls ein Richter, jedenfalls aber ein Jurist sein. Wie auch immer die neue Regierung aussehen wird: um der Justiz ein zeitgemäß-effektives Agieren zu ermöglichen, wird es sowohl personell als auch materiell einiger zusätzlicher Ressourcen bedürfen. Immerhin bildet eine gut funktionierende Justiz auch einen wichtigen Standortfaktor.

 

Andreas Tögel

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