Buchbesprechungen IV
Ich habe den Musikkritiker, Musikorganisator, Ex-Intendanten, Ex-Dramaturg, Schriftsteller und Komponisten Peter Vujica glücklicherweise erst kennengelernt, als ihn Jahrzehnte von seinen urwilden, provozierenden steiermärkischen Kult-Aktionen trennten. Heraushebende Merkmale sind – heute - sein intensives Einmischen ins zeitpolitische Kulturgeschehen, sein bisweilen divenhafter Sprach- und Schriftsatz und sein nichtstillbares Interesse an Kunst, egal, welcher Zeitepoche.
Im Wiener Czernin Verlag liegen nach acht Jahren Leitung des Kulturressorts der einzig lesbaren Wiener Tageszeitung Der Standard nochmals viele seiner Großkolumnen vor, also nicht die eher schnellebigen Konzertkritiken vom Vorabend, sondern die aufs harte politische Geschäft eingehenden Betrachtungen, fast juckt es im Finger zu schreiben, das „Wort zum Donnerstag“.
Gegliedert ist diese Sammlung wie eine Art Almanach, der durch seine Einteilung in Jahreszeiten und Festtage zeitlos ist. Der Zweck ist eigentlich das kritische Rückbetrachten, das Erinnern an die politischen Versprechungen, Beteuerungen, Sanktionen oder an die politischen Marionettenspiele sowohl von seiten der österreichischen Regierung als auch der EU-Partner. Die Reise Vujicas durch die Sowjetunion kommt einmal ebenso zur Sprache wie die Panzer¬abwehrraketen der Nato-Staaten, die hohe Staatsverschuldung genau so wie das permanente Sinken des Wertes des Euro.
Will man die Texte etwas analysieren, so scheint das Jahr 1993 sein in Hinblick auf die Kolumnen mutigstes gewesen zu sein, das bekennerischste 1995, das ironischste 1996 und das Zynischste 2000. Da redet er trotz tourniertänzerischster Eleganz der Feder ziemlich oft Tacheless.
Ich finde, daß der Herausgeber den Autor im Vorwort etwas zu furchteinflößend als Leserschreck und Aufrührer darstellt; aber es stimmt schon, der unabhängige, autarke und vor allem unparteiische Journalist Vujica hat die Leser acht Jahre wenigstens donnerstags morgens nicht so lange mit offenen Augen schlafen lassen.
Beate Hennenberg
Klaus Kropfinger, Ludwig van Beethoven; Ludwig Finscher, Symphonie. Beide: MGG prisma, Verlage Metzler, Bärenreiter, Kassel 2001.
Das Grove Dictionary tat es, Riemann und Ullstein taten es, warum sollen die beiden Verantwortlichen des Super-Unternehmens MGG (2. Auflage) nicht ebenso die wichtigsten und interessantesten in sich abgeschlossenen Texte für Forschung und Musikbegeisterte gleichermassen zugänglich machen, auch ausserhalb der schweren Bucdeckel in Paperback und Sonderdruck? Vier Themen liegen solcherart aufbereitet vor, darunter die oben zwei genannten: vorbildlich recherchiert, auf dem neuesten Stand der Forschung und unschlagbar gut zu lesen. Weitere Bücher zu Themen wie auch – später – zu Komponisten sollen folgen.
Beate Hennenberg
Klaus Schneider, Lexikon Programmusik, Figuren und Personen (Bd. 2), Bärenreiter-Verlag, Kassel 2000, 351 S., DM 68,-.
Ging es im ersten Band Schneiders Lexikon Programmusik um Stoffe und Motive in der Instrumentalmusik, so geht es im zweiten, nun vorliegenden um Gestalten der Geschichte, der Weltliteratur und der Mythologie. Jedes der 6500 Werke ist angegeben mit Komponist, Titel, Opus-Nummer, der Besetzung und dem Verlag. Ausführliche Register erleichtern die Handhabung.
Beate Hennenberg
Neue Reihe für Musiklehrer
Rainer Pachner, Vokalpädagogik. Theorie und Praxis des Singens. Henner Diederich, Folklore. Einführung und Arrangements. Matthias Kruse, Musiktheater. Alle: Gustav Musikpraxis in der Schule, hg. von Siegmund Helms und Reinhard Schneider, Gustav Bosse Verlag, Kassel 2001.
Die neue Reihe Musikpraxis in der Schule bietet den Lehrern an der allgemeinbildenden Schule gute Unterstützung. Zum jeweiligen Thema gibt es ausführliche Notenbeispiele, eine übersichtliche Gestaltung und sinnvoll gegliederte Kapitel. Meist gehört ein geschichtlicher Abriss wie diverse Materialien zum Heft.
Beate Hennenberg
Barbara Landbeck, Max und der Zauberer, CD-ROM für Win/ Mac, Verlag Tivola, 2000 (vertrieben durch PubliKom).
Max ist bei Kindern schon bald eine Kultfigur geworden. Nun muß er ein neues Abenteuer bestehen. Er hatte den Zauberer Zottelzopf besucht, der leider gerade verzaubert worden war. Max muß unbedingt den erlösenden Spruch finden, wie damals, als er für seinen Onkel Pong eine Geheimformel zu finden hatte. Im Zaubererhaus gibt es wieder irre Sachen, viele Abenteuer und ein Besen-Flug-Spiel. Für Kinder von 4 bis 8 Jahren, 16 MB RAM genügen.
Beate Hennenberg
Helma Sanders-Brahms, Marlene und Jo. Recherche einer Leidenschaft, Verlag Argon, Berlin 2000.
Die Autorin, ausgewiesene Regisseurin und international geachtete Preisträgerin wichtiger Filmpreise, recherchierte zum wohl noch auf lange Sicht spannenden Thema, der Arbeits- und Lebensbeziehung zwischen Marlene Dietrich und Josef von Sternberg. Sie rekonstruierte diese sehr ungewöhnliche Kooperation, bestehend aus ewigen Trennungen und ebenso zahlreichen Versöhnungsversuchen von beiden Seiten aus meisterhaft aus beider Autobiografien und eigenständigen Zeugnissen, die von ihr gesichtet wurde. Ein spannend zu lesendes Buch!
Beate Hennenberg
Marianne Fredriksson, Inge und Mira, Roman, Verlag Krüger, Frankfurt am Main 200; DM 39,80.
War gerade Hannas Töchter, der vorvergangene Roman der grossen schwedischen Autorin, noch auf der Spiegel-Bestsellerliste, so ist auch Inge und Mira eine ähnlich kraftvoll und zwingend erzählte Geschichte, die vor allem die Macht der Erinnerungen heraufbeschwört.
Beate Hennenberg
Marianne Fredriksson, Hannas Töchter. Roman, Verlag Wolfgang Krüger, Frankfurt am Main 1999, 380 S., öS 139,-.
Dieses Buch ist ein spannendes Buch über die Liebe. In drei einprägsamen Lebenslinien von Anna, Hanna und Johanna werden knapp einhundert Jahre schwedische Geschichte nachgezeichnet. Fredriksson hat sich mit dem immerwährenden Mutter-Tochter-Thema beschäftigt und damit, wie iese zu ihren Männern standen. Es scheint, als wäre die Autorin auf der Suche nach sich selbst, nach ihrem Zu Hause, gewesen.
Beate Hennenberg
Neu in dieser Saison bei Fischer
Marianne Fredriksson, Sofia und Anders. Roman, Verlag Krüger, Frankfurt am Main 2001.
Dies., Abels Bruder. Roman, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2001.
Die mittlerweile Kult-Status besitzende schwedische Autorin Marianne Fredriksson hat in der aktuellen Saison zwei neue Bücher auf den Markt gebracht: Das eine ein Familienroman über die Kraft der Phantasie, über Seelenverwandtschaften und sensible Stimmungen, das andere ein weiterer Teil des Romanzyklus über Die Kinder des Paradieses.
Florian Illies, Anleitung zum Unschuldigsein. Das Übungsbuch für ein schlechtes Gewissen, Verlag Argon, Frankfurt am Main 2001. Ders., Generation Golf. Eine Inspektion, Fischer Taschenbuchverlag, zweite Auflage Frankfurt am Main 2001.
Florian Illies ist der Super-Schwiegersohn der Mütter über 45, einsichtig, zuvorkommend, aber auch – leider – viel zu selbstverliebt in die eigenen Marotten. Und die lassen sich, man deute die 23 Kapitel seines neuen Werkes kritisch, nicht so schnell abstellen. In Heute trenne ich den Müll nicht, Heute habe ich ein schlechtes Gewissen im Bett und wie dergleichen Selbstbespiegelungen heißen (wer sagt, dass Frauen darauf abonniert seien?) schreibt er sich seinen Frust von der Seele und kann sich danach als Superman fühlen. Seine Gedanken über die Generation Golf gibt’s nun endlich als Taschenbuchausgabe.
Beate Hennenberg