Botschafter Gerhard Weinberger zu Gast im CUL

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Buchvorstellung: „Mit dem Koran ist kein Staat zu machen“

Eher undiplomatisch klingt der Titel des Buches, das aufgrund der Erfahrungen entstanden ist, die Gerhard Weinberger in der Zeit von 2012 bis 2017 gemacht hat, in der er als Botschafter Österreichs in Tunis / Tunesien stationiert war. Die Schilderung seiner Erlebnisse zur Zeit des „Arabischen Frühlings“ liefert eine einleuchtende Begründung für die Wahl dieses Titels.

Weinberger schildert zunächst die Situation vor Ort, mit der er bei seinem Amtsantritt konfrontiert war: Eine „moderat“ islamistische Partei (Ennahda) hatte, nachdem der bis 2010 regierende Autokrat Zine el-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien geflohen war, 2011 mit deutlichem Abstand vor ihren Wettbewerbern die Wahlen gewonnen und eine Dreierkoalition gebildet. Kurz nach der Ankunft Weinbergers in Tunis, am 13. 9. 2012, stürmte ein Kommando von Salafisten die US-Botschaft. Der islamistische Innenminister hatte keine wesentlichen Anstrengungen unternommen, das zu unterbinden. Erst der Einsatz von Militär konnte die Lage – ohne amerikanische Opfer - wieder herstellen.

Wenig später, anlässlich einer Trauerkundgebung für einen einst von französischen Faschisten ermordeten, populären Gewerkschafter, kam es zu neuerlichen Gewaltexzessen seitens radikaler Islamisten, die in einer Art „Arbeitsteilung“ mit den regierenden „Moderaten“ an der Islamisierung des Landes arbeiteten. Als 2013 ein angesehener linker, laizistischer Oppositionspolitiker von Salafisten ermordet wurde, spitzte sich die Lage zu und die „Moderaten“ erkannten, dass sie die Zusammenarbeit mit den Radikalen beenden mussten.

Nach massiven Unruhen und einem von der Gewerkschaft angedrohten Generalstreik, kam es zur Gründung einer Sammelbewegung aller nichtislamischen politischen Kräfte und zu einer in Paris staatfindenden Geheimkonferenz, die zu einer umfassenden Vereinbarung für den künftigen Kurs des Landes führte. Die Regierung sollte, zeitgleich mit der Präsentation einer neuen Verfassung, zurücktreten und Neuwahlen ausschreiben. Das Tauziehen über die Details zog sich bis ins Jahr 2014 hin und endete schließlich mit einem im Parlament zelebrierten Festakt. Die neue Verfassung sah u. a. eine zivile Verwaltung und die Gleichstellung von Mann und Frau vor und – besonders bemerkenswert - nimmt keinerlei Bezug auf das islamische Rechtssystem (Scharia).

Die radikal islamistischen Kräfte änderten daraufhin ihre Strategie, griffen vermehrt Polizei und Militärs, sowie für die Wirtschaft des Landes relevante Ziele an. Beispielsweise Touristenhotels (die eindrucksvolle Schilderung eines derartigen Überfalls durch eine Zeugin am Ort des Geschehens, findet sich im Buch). Der wachsende Einfluss des IS machte sich ab 2015 bemerkbar.

Weinberger sieht den Beginn der „Krise des Islam“ im Jahr 1798, als der Einfall napoleonischer Truppen in Ägypten klarmachte, dass die islamische Welt gegen die Mächte des Abendlandes über keine wirksamen Mittel verfügte. Von diesem Moment an kam es zur Dichotomie von Reformkräften, die an den Errungenschaften des Westens interessiert waren und den Konservativen, die „zurück zu den Wurzeln“ wollten. Bis heute gibt es darüber erbitterte Debatten - nicht nur unter tunesischen Intellektuellen.

Während die Reformation im Abendland, die Rückbesinnung auf die Evangelien, zu einer Erschütterung der herrschenden Kirchenmacht führte, würde eine „Reformation“ in der islamischen Welt die Kleriker entscheidend stärken. Der Islam kennt keine Trennung von politischer und geistlicher Welt. Da der Koran (angeblich) das geoffenbarte Wort Allahs ist, ist eine Anpassung an neuzeitliche Bedingungen undenkbar. Allahs Wort gilt für alle Zeiten. Botschafter Weinberger ist daher fest von der Inkompatibilität des Islam mit liberalen, abendländisch-pluralistischen, demokratischen Werten überzeugt.

Fazit: Mit dem Koran ist kein Staat zu machen – jedenfalls kein moderner!


Andreas Tögel

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