Martina Salomon, Chefredakteurin des „Kurier“ zu Gast im CUL

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Seit rund 40 Jahren ist Martina Salomon, Doktor der Philosophie, bereits im Zeitungswesen tätig. Ihre lange Karriere führte sie u. a. vom ORF über die „Oberösterreichischen Nachrichten“, zum „Standard“ und zur „Presse“. Vor einigen Monaten trat sie die Nachfolge von Helmut Brandstetter auf dem Sessel des Chefredakteurs des Wiener „Kurier“ an. Sie ist damit die derzeit einzige Frau an der Spitze einer überregional erscheinenden Tageszeitung in Österreich.

Aufmerksamen Lesern ist die mit diesem Personalwechsel verbundene Kurskorrektur des zuletzt merklich nach links abgedrifteten Blattes nicht entgangen. Die liberale Journalistin möchte den „Kurier“ wieder in der bürgerlichen Mitte positionieren und hat nicht zuletzt deshalb sieben von zehn Ressorts im Haus neu besetzt. Im CUL betont sie, größten Wert auf eine klare Trennung von Nachricht und Kommentar zu legen. Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, ist eines ihrer wichtigsten Ziele. Denn verlorengegangenes Leservertrauen ist ein Phänomen, mit dem ein großer Teil der Massemedien - nicht nur im Printsektor – konfrontiert ist.

Die goldene Zeit gedruckter Zeitungen scheint vorbei zu sein. Junge Leute neigen weniger zum Konsum von Printmedien als alte. Noch weniger sind sie bereit, Zeitungen zu abonnieren. Beim „Kurier“ hat das in den zurückliegenden Jahren einen Leserschwund von etwa drei Prozent pro Jahr bewirkt. Hatte die Zeitung im Jahr 2008, als Helmut Brandstetter zum Chefredakteur gekürt wurde, noch 600.000 Leser, sind es heute nur noch 500.000.

Einen Teil des Leserverlustes durch verstärkte elektronische Angebote auszugleichen, ist das ambitiöse Ziel der neuen Chefredakteurin. Sie wird es damit nicht leicht haben. Leser dazu zu bewegen, für die Lieferung elektronischer Nachrichten zu bezahlen, ist schwierig. So ist beispielsweise der vielversprechende Versuch der „NZZ“, eine rein elektronische Österreichausgabe zu etablieren, nach kurzer Zeit gescheitert. Die notwendige „kritische Masse“ zahlender Abonnenten konnte einfach nicht akquiriert werden. Salomon: „Kaum wird eine Bezahlschranke eingezogen, sinken die Leserzahlen dramatisch – und damit auch die Attraktivität des Mediums für Inserenten.“ Sie will die Sache daher behutsam angehen und denkt daran, „Versuchsballons“ mit Spezialbeilagen zu starten, um die Publikumsreaktionen zu analysieren und nicht zu riskieren, eventuell die gesamte Zeitung damit zu beschädigen.

Die Reaktionen auf Salomons Berufung bewegten sich zum Teil auf einem geradezu unterirdischen Niveau. Persönliche Beschimpfungen und Unterstellungen aus der untersten Schublade gehörten dazu. Einige Kommentatoren verstiegen sich sogar zu der absurden Mutmaßung, der „Kurier“ könnte unter Salomons Leitung zum Sprachrohr des Neofaschismus in Österreich werden. Unfassbar, angesichts der Vita Salomons. Doch wie besagt das Sprichwort: Mitleid bekommt man geschenkt, während man sich den Neid verdienen muß.

In der dem Vortrag folgenden Publikumsrunde wurde vielfach die mangelnde redaktionelle Qualität (nicht nur im „Kurier“) beklagt. Falsche Bildunterschriften, Verwechslungen und offenkundige Fehler kommen demnach zu häufig vor. Dem Verdacht, dass Teile der Journalistenzunft absichtlich Desinformation betreiben, tritt Salomon vehement entgegen. Zwar habe es seit dem Zeitpunkt ihres Karrierestarts (damals war der Journalismus Großteils in bürgerlichen Händen) eine kräftige Linksverschiebung gegeben, was aber nicht den Schluss zulasse, dass der Leser deshalb von den Reaktionen mehr belogen oder in anmaßender Weise belehrt werde als früher. Auch Konservative Zeitungsleute (wie Schulmeister oder Chorherr) hätten gerne von oben herab doziert. Der „Fall Relotius“ vom deutschen „Spiegel“ (der mit Preisen überhäufte junge Redakteur hat jahrelang Geschichten erfunden und als wahr verkauft) sei ein untypischer Einzelfall.

Angesichts des erdrückenden rotgrünen Übergewichts in den Redaktionsstuben der Alpenrepublik ist es jedenfalls ein erfreuliches Zeichen, dass wieder eine ebenso hochprofessionelle wie erwiesenermaßen liberale Persönlichkeit an der Spitze der drittstärksten Bezahltageszeitung Österreichs steht.

 

Andreas Tögel

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