Das Terrorismusbekämpfungsgesetz
In meinem Beitrag „Terror, Sicherheit und Liberalismus“ habe ich mich unter anderem auf den Antrag des SPD-Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz zur flächendeckenden Einführung von Fingerprints in Personalausweisen bezogen. In einem von der ARD am 30.11.ausgestrahlten Interview nahm er zur Kritik an seinen Vorschlägen und zum aktuellen Stand der Dinge Stellung. In den im Internet zugänglichen Dokumenten der ARD findet sich übrigens – je nach Datum – der Name des Bundestagsabgeordneten als Würfelspitz, Würfelspütz oder Wiefelspütz geschrieben.
Rainer Ernst Schütz
ARD-Interview:
30.11.2001 • 07:15
Elke Durak im Gespräch mit
Dieter Wiefelspütz,
innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Durak: Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist heute Gegenstand von Beratungen im Bundesrat und im Innenausschuss des Bundestages. Das ganze ist besser bekannt als Sicherheitspaket II. Mit ihm sollen unsere Sicherheitsgesetze der neuen Bedrohungslage nach den Terroranschlägen vom 11. September angepasst werden. Dass Handlungsbedarf besteht, das stellt kaum jemand in Frage, Umfang und Zielrichtung einzelner Maßnahmen aber schon. Einer der schwerwiegendsten Vorwürfe lautet, der Bürger werde unter Generalverdacht gestellt. Ist das so? - Die Frage gebe ich weiter an Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Wiefelspütz: Zunächst einmal guten Morgen! - Wenn der Vorwurf berechtigt wäre, dann hätten wir allerdings unser Geld nicht verdient. Dann hätten wir auch nichts im Parlament zu suchen. Das wollen wir natürlich auf gar keinen Fall. Ein Staat, der seinen Menschen, seinen Bürgern misstraut, dem ist zu misstrauen. Dem Staat ist allerdings zu misstrauen. Ganz im Gegenteil: Ich denke wir haben zunächst einmal Grundvertrauen gegenüber unseren Bürgern zu haben, und ich denke das ist auch unzweifelhaft der Fall. Aber es gibt Bedrohungssituationen nach dem 11. September. Da müssen wir die Sicherheit in Deutschland nicht neu erfinden, denn unsere Behörden arbeiten ja eigentlich ganz gut und auch erfolgreich. Es gibt aber bestimmte Bereiche, da wollen wir mehr Sicherheit. Deswegen setzen wir uns heute zusammen und haben eine große Anhörung vor dem Innenausschuss und wollen Fachleute aus der Wissenschaft und aus der Praxis hören, was die von unseren Gesetzen halten, damit wir auf diese Weise besser beraten werden.
Durak: Der Bürger hat ein Recht auf seine Grundrechte und auf die Gewährleistung seiner Sicherheit. Herr Wiefelspütz, ist das wirklich möglich ohne Einschränkung der Rechte?
Wiefelspütz: Wenn man ganz genau hinschaut, werden wir schon da oder dort in ganz bestimmten Bereichen auch mehr Kontrolle haben. Das ist dann sicherlich nicht nur lästig, sondern möglicherweise da und dort auch eine Einbuße von Grundfreiheiten. Wir haben aber immer die komplementäre Seite beachtet. Wenn beispielsweise die Nachrichtendienste in Deutschland mehr Befugnisse bekommen, bekommt gleichzeitig das Parlament mehr Befugnisse der Kontrolle. Das heißt wenn zusätzliche Rechte für Nachrichtendienste da sind, dann legen wir großen Wert darauf, dass umfassend kontrolliert werden kann durch den Bundestag, durch die entsprechenden Kontrollgremien. Wir haben auch gesagt, in sensiblen Bereichen, wo wir auch Neuland betreten, wollen wir die Gesetze befristen. Sie bekommen sozusagen ein Verfallsdatum. Nach fünf Jahren treten sie außer Kraft, es sei denn der Bundestag verlängert die Gesetze. Er muss sich aber vorher Gedanken darüber machen, ob es sich überhaupt bewährt hat, mit diesen Gesetzen zu arbeiten. Das sind wichtige Sicherungen.
Durak: Herr Wiefelspütz, bei dem Punkt Dienste, was Dienste so dürfen und können, wenn die Gesetze so durchkommen, will ich bleiben. Wer gibt mir denn die Garantie, dass ich rechtzeitig darüber informiert bin, dass ich irgendwie durch irgendwelche Umstände ins Blickfeld der Dienste gekommen bin?
Wiefelspütz: Wir haben noch einmal diese Frage, die heute Nachmittag ja auch eine große Rolle spielt, sehr genau unter die Lupe genommen und haben gesagt, wenn Nachrichtendienste bei extremen Gefahren tätig werden müssen, Terrorismusverdacht und ähnliches, und die Daten von Bürgern in Anspruch nehmen müssen, ohne dass dieser Bürger das merkt oder weiß, dann muss er, wenn die Gefahr vorbei ist, benachrichtigt werden. Denn es kann nicht sein, dass in Deutschland ein Bürger lebt, der nicht weiß, dass irgend Jemand mal sozusagen seine Daten überprüft hat oder ähnliches. Deswegen ist diese Benachrichtigungspflicht auch ein ganz wichtiges rechtsstaatliches Kriterium, wo wir gesagt haben, das muss dort hinein. Das sehen übrigens manche in Deutschland anders, auch in den Bundesländern. Da sage ich sehr deutlich: diese wichtigen Benachrichtigungsrechte sind für mich überhaupt nicht verhandelbar. Darüber diskutiere ich auch nicht mit der CDU oder mit der CSU. Bei allem Respekt vor anderen Meinungen, dort muss sichergestellt sein, dass die Bürger benachrichtigt werden. Alles andere würde in der Tat Misstrauen bei den Bürgern in staatliche Einrichtungen begünstigen oder hervorrufen, und das wäre tödlich.
Durak: So ganz überzeugt bin ich noch nicht. Ich möchte es gerne noch genauer wissen, Herr Wiefelspütz. Benachrichtigungsrecht und -pflicht, wenn die Gefahr vorüber ist. Wann ist die Gefahr vorüber? Der Terrorismus wird sich grob gesehen noch lange unter uns breit machen und uns verunsichern. Wenn es jetzt eine Untersuchung gibt, in die ich jetzt gekommen wäre, woher soll ich denn wissen, wann der Verfassungsschutz oder die Dienste für sich entscheiden, die Gefahr ist vorüber? Will sagen oder fragen: inwieweit ist die parlamentarische Kontrolle der Dienste gesichert?
Wiefelspütz: Sie ist gesichert, weil wir dafür Personal zur Verfügung stellen, weil wir dort engagierte Abgeordnete haben, die ihre Arbeit machen, und weil wir erwarten, dass in den Behörden auch bei den Nachrichtendiensten Menschen wie Sie und ich arbeiten, die gesetzestreu sind, die natürlich engagiert ihre Arbeit machen, aber gleichzeitig ganz genau wissen, sie müssen die Gesetze einhalten, die wir, das Parlament, die Volksvertretung, für sie gemacht haben. Und wehe dem, jemand schlägt über die Strenge; er macht sich strafbar, er wird disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen und die parlamentarische Kontrolle denke ich funktioniert. Da sitzen ja auch nicht nur Regierungsabgeordnete, sondern die Opposition ist auch dabei. Ich bin eigentlich eher dafür, die parlamentarischen Kontrollrechte zu stärken. Das haben wir auch in der Vergangenheit schon getan. Das muss austariert sein. Da muss die Balance stimmen. Wenn wir in bestimmten Bereichen zusätzliche polizeiliche oder auch nachrichtendienstliche Befugnisse schaffen, dann müssen die Bürgerrechte auf andere Weise sozusagen ausbalanciert werden durch Kontrollrechte des Parlamentes, durch Benachrichtigungspflichten und ähnlichem.
Durak: Herr Wiefelspütz, ich kann es mir schwer vorstellen, dass einige, eine Hand voll, mehrere Hände voll Bundestagsabgeordnete sich turnusmäßig die Daten von Tausenden beobachteten Leuten anschauen. Wie soll das gehen?
Wiefelspütz: Die parlamentarische Kontrolle funktioniert seit vielen, vielen Jahren, ich denke auch im großen und ganzen unbeanstandet. Es werden immer wieder auch Stichproben gemacht. Der Bundestag hat die Möglichkeit, jeden konkreten Einzelfall sich anzuschauen.
Durak: Woher weiß der Bundestag, dass es einen Handlungsbedarf gibt?
Wiefelspütz: Weil der Bundestag sich regelmäßig berichten lässt über die Tätigkeiten der Dienste. Und wehe dem, es wird nicht vollständig berichtet und nicht den Abgeordneten ein umfassender Einblick gewährt. - Ich habe zwar Vertrauen zu den Leuten, die in den Diensten arbeiten, aber wehe dem, sie informieren mich nicht ausreichend. Dann ist aber der Teufel los. Genau so funktioniert es ja eigentlich sehr, sehr gut. Ich denke das ist schon ein Spannungsverhältnis. Das räume ich ein. Nachrichtendienste sind etwas anderes als die Polizei. Aber ich muss Ihnen ganz freimütig sagen, die Bundesrepublik Deutschland ist ein sehr, sehr entwickelter, sehr stabiler Rechtsstaat. Da darf man denke ich auch selbstverständlich zu unseren Nachrichtendiensten Vertrauen haben, weil dort eben halt genauso Menschen wie Sie und ich arbeiten, die nicht etwa darauf aus sind herumzuschnüffeln, sondern die haben den Auftrag, bei Terrorismus in Zukunft in bestimmten Bereichen genauer hinzuschauen. Wir wollen ja keine Beschäftigungsprogramme machen für ohnehin stark beschäftigte Verfassungsschützer oder Polizeibeamte, sondern es geht ja auch um Effektivität bei der ganzen Veranstaltung.
Durak: Es geht ja nicht darum, den Diensten vorzuwerfen, sie würden aus Lust und Laune herumschnüffeln, aber es geht doch eigentlich darum, den Bürger vor unzureichender Durchleuchtung oder unzumutbarer Durchleuchtung zu schützen. Dies ist gerade eine Auszeichnung dieses Rechtsstaates. Die Bürger in Ost-Deutschland haben da sehr viel andere Erfahrung gemacht und sind wo möglich sicherlich noch ein wenig sensibler.
Wiefelspütz: Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Ich habe selber zu denjenigen gehört, die das Stasi-Unterlagengesetz gemacht haben und weiß, was die Stasi-Krake bedeutet hat. Es ist nichts schlimmer, als wenn der Staat seine eigenen Bürger bespitzelt. Das würde ich allerdings niemals unserem Verfassungsschutz oder unserem Bundesnachrichtendienst vorwerfen wollen. Dort arbeiten engagierte, rechtsstaatlich gesonnene Leute, und wenn das nicht der Fall wäre, müssten sie sofort entfernt werden. Wir haben eine parlamentarische Kontrolle, die funktioniert. Ich denke die Öffentlichkeit hat ein Recht und auch eine Pflicht, dort ganz genau hinzuschauen, auch uns Politikern auf die Finger zu schauen, selbstverständlich. Ich kann auch nicht ausschließen, dass es da und dort auch mal eine Panne gibt oder Fehlverhalten gibt, aber im großen und ganzen denke ich ist die Aufregung über dieses Sicherheitspaket ja auch deutlich geschwunden, weil man gemerkt hat, wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, die rechtsstaatlichen Sicherungen einzubauen. Ich sage noch einmal: