Was bringt die neue Regierung?

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Damit war für mich – meine Freunde wissen es – schon im Oktober die jetzige Koalitionsform klar, die endlosen Verhandlungen dienten nur dem Weichklopfen der eigenen ÖVP-Funktionäre, den Bedürfnissen mancher Medien und der Eitelkeit des Bundes¬präsidenten.

Völlig falsch wäre es meiner Meinung nach aber nun, diese Regierungskoalition als Zeichen der Sympathie Wolfgang Schüssels für die FPÖ zu werten. Es war vielmehr erstens die für die ÖVP bei weitem billigste Regierungskoalition, es war zweitens die einzige, mit der er eine Option auf ein gutes Wahlergebnis bei den nächsten Wahlen hat, und es ist drittens die einzige Regierungskoalition, die es Schüssel in die Hand gibt, die Inhalation der FPÖ durch die ÖVP fortzusetzen. Jede andere Koalition hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer gewissen Erholung der FPÖ geführt; nur in dieser, jetzt bestehenden Koalition ist die Chance groß, daß im vereinten Wirken der Herren Haider, Stadler und Konsorten die FPÖ in der Wählergunst weiterhin so marginalisiert wird, daß Schüssel bei sich bietender Gelegenheit wieder Neuwahlen machen kann – und wer zweifelt daran, daß ihm die FPÖ solche Gelegenheiten bieten wird? Neuwahlen machen kann, aber vermutlich nicht muß: Wer es erträgt, mit solchen knittelfeld¬bewährten Geistesgrößen, wie sie die FPÖ jetzt im Parlament sitzen hat, zu kooperieren, hat offensichtlich die nötige Seelenstärke und Leidens¬fähigkeit und wird das auch noch eine weitere Zeit lang aushalten. Und andererseits dürften die Verantwortlichen von der FPÖ wohl auch in der Lage sein, Meinungsumfragen zu lesen; also prophezeie ich der Regierung Stabilität bis zu dem Zeitpunkt, wo entweder die FPÖ glaubt, wieder zulegen zu können – und davon ist derzeit nichts in Sicht. Oder bis die FPÖ Wolfgang Schüssel aus eigener Unfähigkeit die Chance bietet, eine weitere Reduktion der FPÖ durch Neuwahlen vorzunehmen. Also sehe ich eine für die ÖVP komfortable Situation mit dem unter Anführungs¬zeichen sozusagen „schlimmsten“ Szenario, die Legislatur¬periode auszudienen.

Wann immer Neuwahlen kommen mögen, und ich halte 2004 für einen guten Tip, wird sich die Frage stellen, welche Wähler man anzusprechen wünscht. Und damit komme ich zur einzigen mir vorstellbaren Strategie des Bundeskanzlers, die da heißen mag: Die 2002 neugewonnenen Wähler behalten und noch einige aus der FPÖ dazugewinnen, aber auch Menschen mit ökonomischem Verständnis aus SPÖ und Grünen anzusprechen. Und ich denke, daß er dafür seit längerem eine Doppelfalle aufgestellt hat, eine Falle für die FPÖ und die gleiche Falle für die Opposition. Es ist die Generationsfalle.

Schon im Sommer 2002 hat sich Jörg Haider als der bessere Sozialist geoutet, mit dem Anspruch, wie stets den kleinen Mann zu verteten. Gleiche Ansprüche erheben auch SPÖ und die Grünen. Nun haben sich die SPÖ und die Grünen lange Jahre im Besitz der Zustimmung der Jugend gewähnt, noch in Erinnerung an 68-er Zeiten. Zumindest bei der SPÖ ist das aber Geschichte; schon bei den letzten Wahlen haben sich die meisten Jungwähler für die ÖVP entschieden. Und das möchte der Bundeskanzler offenbar ausbauen. Nichts ist dafür so gut geeignet wie eine kritische Diskussion der Pensionsreform¬vorschläge.

Denn natürlich fällt bei diesen Reformvorschlägen auf, daß besonders meine Generation, also die kurz vor dem Pensionsalter stehenden Menschen, durch fehlende Aufwertung früherer Beitragszeiten und andere Maßnahmen besonders spürbar benachteiligt werden. Ein Protest und intensive Kritik an diesen Plänen war also garantiert. Auffällig ist allerdings, daß sich Alfred Gusenbauer erstaunlich zurückhält, ja sogar ein Mittragen einer schmerzhaften Reform durch die SPÖ anbietet. Er ist ein kluger Politiker und wittert die Falle. Ich gehe davon aus, daß Wolfgang Schüssel ganz bewußt ein Pensions¬reformpaket schnüren ließ, das zumindest in der vorliegenden Form von den drei anderen Parlamentsparteien abgelehnt wird. Das ist meiner Meinung nach aber genau das, was Wolfgang Schüssel wollte.

Denn da davon auszugehen ist, daß es die Politik wohl nicht wagen wird, diejenigen Österreicher zu belasten, die schon ihre Pension beziehen, so bleibt nach Adam Riese bei einer Änderung der vorliegenden Pläne zugunsten der bald in Pension gehenden Menschen als Belastungsopfer nur die jüngere Generation übrig. Wer jünger als fünfundvierzig Jahre ist wird ohnedies die volle Last der Reform trage müssen und nun möglicherweise zusätzlich noch die Last, die aus allen jetzt zu diskutierenden „Verbesserungsvorschlägen“ zwangsläufig erwächst. Was man den Älteren gibt, muß man eben den Jüngeren wegnehmen. Ob die jüngere Generation Dankbarkeit für diese Verbesserungs¬vorschläge empfinden wird, darf bezweifelt werden.

Es kann der ÖVP hinsichtlich ihrer Reputation bei der jüngeren Generation daher nichts besseres passieren, als daß der ÖVP-Vorschlag entweder zu Fall gebracht wird oder so abgeändert wird, daß beträchtliche zusätzliche Belastungen auf die jüngeren zukommen – und das wird zwangsläufig so sein. Die ÖVP braucht dann nur noch intensiv auf diesen Umstand hinweisen; und dazu wird sie wohl imstande sein.

Das Kabinett Schüssel 1 hatte bekanntlich einen recht schweren Start. Die Umfragewerte waren deutlich schlechter als am Beginn des Kabinettes Schüssel 2. Binnen eines Jahres hat sich das seinerzeit total geändert, und zwar trotz Nulldefizitbestrebungen und Belastungen aller Art. Das heißt, daß das auch diesmal zumindest nicht unmöglich erscheint. Das würde bedeuten, daß beim Erreichen guter Umfragedaten für die ÖVP diesmal eher die FPÖ zittern müßte, ob nicht eine der eingebauten Sollbruchstellen aktiviert wird. Für ein solches Szenario spricht auch der Umstand, daß die ÖVP bisher so gut wie nichts zur Betreuung der 2002 frischgewonnenen Wähler unternommen hat; niemand wird aber annehmen können, daß sie ohne Betreuung über die Jahre hinaus der ÖVP die Treue halten werden. Das spricht doch eher für eine Naherwartung kommender Wahlen seitens der ÖVP. Und übrigens sollte niemand überrascht sein, wenn sich ÖVP und SPÖ ganz plötzlich auch noch auf ein mehrheitsbildendes Wahlsystem einigen sollten. Das hätte für beide Großparteien einen durchaus verständlichen Charme, da man damit die Sorge mit den politischen Rändern ein für allemal los wäre.

Natürlich ist das alles, wie ich eingangs schon sagte, pure Spekulation. Sie basiert auf der Annahme, daß die verantwortlichen Akteure so intelligent sind und so risikobereit sind, wie ich das vermute. Und Wolfgang Schüssel als begnadeter politischer Spieler verfolgt natürlich keinen starren Plan, sondern zieht je nach Spielverlauf die geeignetst erscheinende Karte. Ein mir möglich erscheinendes Szenario habe ich dargestellt, aber man sich bekanntlich immer irren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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