Über das Vergnügen, nach einer neuen Regierung zu suchen, und warum man damit am liebsten gar nicht aufhören möchte!

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von Rainer Ernst Schütz

Die in vielen Medien zu lesende Behauptung, die Bevölkerung erwarte sehnsüchtig die Bildung einer neuen Regierung, erscheint mir eher das Wunschdenken der Schreibenden zu sein als ein richtiger Befund der Gemütslage der Bevölkerung. In meinen nunmehr fast sechs Lebensjahrzehnten habe ich überhaupt noch nie den Wunsch der Bevölkerung nach einer Regierung vernommen, höchstens – bei Unzufriedenheit mit der bestehenden Regierung – den Wunsch nach einer anderen Regierung. Das mag ja in Wahrheit auch das Motiv der oben erwähnten Medienschreiber sein. Aber die Wahlen vom November 2002 haben eben durchaus keine Unzufriedenheit mit der alten Regierung gezeigt. Im Gegenteil, die bisherigen Koalitions¬parteien wurden wieder mit einer deutlichen Mehrheit ausgestattet.

Natürlich sind Wünsche erlaubt, und unser lieber Herr Bundespräsident hat ja soeben den Europarat mit dem Weihnachtsmann verwechselt und sich im Ausland über seine persönlichen Wünsche für die künftige österreichische Regierung geäußert. Die versammelten internationalen Beobachter werden diesen Ausführungen zweifellos mit atemloser Spannung gefolgt sein, kennen Sie doch noch die Wünsche unseres Herrn Bundespräsidenten bei der letzten Regierungsbildung im Jahre 2000, und sie kennen auch den Erfolg, den unser Herr Bundespräsident mit seinen Wünschen hatte.

Man darf historische Analogien natürlich nicht überstrapazieren, und die oben erwähnten Ereignisse sind natürlich noch keine Garantie dafür, daß es zu keiner schwarz-roten Koalition kommt. Aber sie sind eine Garantie dafür, daß derjenige, den unser Herr Bundespräsident mit der Regierungsbildung beauftragt hat, Wolfgang Schüssel also, noch ein bisschen mehr motiviert wird, seine Situation ohne Eile zu genießen.

Denn ein Genuß muß es sein, das versammelte Geraunze jener vermeintlichen Meinungs-bildner zu lesen, die sich eigentlich ein rot-grünes Österreich gewünscht hätten, und die die Bestätigung, die die bisherige Parlamentsmerheit erhalten hat, seelisch so gar nicht verkraften können. Denn deren Wunsch nach baldiger Regierungsbildung ist in Wahrheit nichts anderes als der Wunsch, möglichst bald eine Garantie zu haben, daß es keine schwarz-blaue Koalition mehr geben wird.

Nun mag es ja eventuell sein, daß es keine schwarz-blaue Koalition mehr gibt; aber warum sollte sich Wolfgang Schüssel beeilen, das bekanntzugeben? Damit seine politischen Gegner eine Freude haben? Damit Klestil erfährt, daß er bei der nächsten Angelobung wieder lächeln kann?

Keine Koalition, weder mit rot oder mit grün, aber auch nicht mit blau kann ein so komfortables Regieren für Wolfgang Schüssel bringen, wie es die jetzige Situation bringt. So lange sich die Freiheitlichen noch Hoffnungen machen können, in der nächsten Regierung vertreten zu sein, werden sie dem Bundeskanzler keine unnötigen Schwierigkeiten machen. Die Abstimmung über das Budgetprovisorium bringt die willkommene Gelegenheit, die Verläßlichkeit der FPÖ-Mandatare auszutesten, ohne im Falle von Umfallern fatale Folgen fürchten zu müssen – schlimmstenfalls müssen dann die Regierungsverhandlungen bis Ende März abgeschlossen sein, und das sind sie wohl ohnehin.

Die im Amt befindliche Regierung kann ja ganz normal regieren, sie hat alle Vollmachten, die eine Regierung nur haben kann. Sie muß nur für ihre Gesetzesvorhaben eine Mehrheit im Parlament finden. Und die Option, dies je nach Materie mit verschiedenen Partnern tun zu können, gibt es nur, solange es eben keine fixe Koalition gibt. Was könnte schöner für Wolfgang Schüssel sein, als die anstehenden Europabeschlüsse, die der FPÖ nicht gefallen, mit einer breiten Mehrheit mit rot und grün zu beschließen, ohne damit ein Koalitionsabkommen brechen zu müssen? Und was wäre effizienter, als die diversen Reformen nicht von Gewerkschaftern und Kammerfunktionären bremsen zu lassen, sondern sie mit den Stimmen der Blauen unverwässert zu verwirklichen?

Freilich gibt es eine gewisse Sicherheit gegen ein Mißtrauensvotum nur dann, wenn man einem Partner dafür etwas gibt. Das kann, muß aber nicht eine Regierungsbeteiligung sein, und eine Regierungsbeteiligung kann, muß aber nicht sofort beginnen. All diese so angenehmen Optionen hat Wolfgang Schüssel, und man kann sich gut vorstellen, wie er sich jeden morgen aufs neue freut, die Wahl, aber keine Eile zu haben. Nur eines, so denke ich, trübt ein wenig seine gute Laune: Die Amtsräume des Bundespräsidenten blicken auf den Heldenplatz, nicht auf den Ballhausplatz. Und so ist es Wolfgang Schüssel verwehrt, Thomas Klestil allmorgendlich von Fenster zu Fenster zuzuwinken.

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