Richter auf Zeit

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von Mag.Dr. Georg Vetter

Richter haben keinen Anreiz, um Vertrauen zu werden

Sollte sich ein Urteil nicht vermeiden lassen, wägen die wenigsten Richter lehrbuchhaft die Argumente gegeneinader ab, und fällen dann eine Entscheidung. Sie machen es genau umgekehrt: Sie treffen zunächst eine Entscheidung, und suchen dann nach den Argumenten, damit diese Entscheidung in der Instanz möglichst nicht verändert wird. Nichts wäre arbeitsintensiver und überflüssiger als ein zweiter Rechtsgang. Ein Urteil liest daher sich im allgemeinen so, als würde man eine schiefe Ebene hinabgleiten. Jene Seite, die verliert, wird oft so hingestellt, als wäre es schon von vorne herein völlig aussichtslos gewesen, den Prozeß zu führen. Kaum ein Urteil wägt die jeweiligen Argumente der beiden Seiten gewissenhaft gegeneinander ab: Die Begründung dient der Absicherung der Entscheidung und ist nicht darauf ausgerichtet, das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung zu gewinnen – dazu haben die Richter überhaupt keinen Anreiz.

Daß Richter sohin in erster Linie an Gerechtigkeit interessiert wären, ist ein Utopie, die umso weniger geglaubt wird, je näher man der Justiz kommt. In dieser Entidealisierung liegt auch der berechtigte Kern der Skepsis gegenüber dem Berufsrichtertum, dessen professionelle Erfahrungen oft nichts anderes sind als lebensnahe Vorurteile. Diese Defizite sollen durch die Einschaltung von Laienrichtern ausgeglichen werden, was eine noch viel größere Utopie bedeutet: Laienrichter fällen mit Sicherheit mehr Fehlurteile als Berufsrichter. Die spektakulärsten Fehlurteile der Geschichte wurden meist durch Laiengerichte gefällt. Die gängige Praxis ist ein schwacher Trost: Laienrichter werden von den Berufsrichtern meist so angeleitet und geführt, dass sich ihre Existenzberechtigung verliert.

Das von mir gezeichnete Bild der entidealisierten, pragmatischen Justiz bedeutet nicht, dass Richter wenig Sinn für Fairness hätten. Sie wollen keine Partei absichtlich benachteiligen und sie sind auch nicht – trotz der zunächst geringen Bezahlung – korruptionsanfällig. Sie mögen für Schmeicheleien anfällig sein und sie mögen sogar leicht verärgerbar scheinen: käuflich sind sie nicht. Manche aber sagen: Für jene Leistung, die Richter erbringen, sind sie immer noch zu gut bezahlt. Ich meine: Höhere Bezahlung würde auch bessere Leistung bringen.

Politische Abhängigkeit der Richter ?

Die Richtervertreter haben nun gemeint, dass die Richter in politische Abhängigkeit gerieten, wenn sie zeitlich befristet bestellt würden. Sie gehen wohl davon aus, dass auch schon bisher jede Ernennung eines Richters politisch motiviert sei. Die gegenwärtige Ernennungspraxis, die bloß zu lebenslanger Dankbarkeit führen könne, würde von zeitlich befristeter Dankbarkeit abgelöst werden, die die Unabhängigkeit in Frage stelle. Könnte es im Gegenteil so sein, dass die Unabhängigkeit der Richter durch zeitlich beschränkte Ernennung erhöht würde?

Das Recht geht vom Volk aus und kehrt nicht mehr zurück, meinen manche Kritiker des Berufsrichtertums. Nimmt man die berechtigte Skepsis ernst, und will man die Flucht in die Laiengerichtsbarkeit vermeiden, bietet sich die zeitliche Befristung der richterlichen Dienstverhältnisse an, zumindest für die unteren Instanzen. Ausnahmen der zeitlichen Befristung erscheinen dort notwendig, wo die tatsächlich politisch bestellten Richter – also etwa die Verfassungsrichter – vor politischer Einflussnahme zu schützen sind. Auch wäre über eine verstärkte Selbstrekrutierung der Richterschaft nachzudenken.

Wenn die Befristung der Mandate sowohl in der Gesetzgebung als auch an der Spitze der Verwaltung in der Demokratie die Regel sind, kann dies auch für die dritte Gewalt, die Justiz, nicht ganz falsch sein. Zeitlich befristete Macht soll die Möglichkeit des Missbrauchs der Macht einengen und zu einem harmonischeren Verhältnis zwischen der Justiz und der Bevölkerung führen. Richter, die sich um das Vertrauen der Menschen bemühen müssen, werden sich vor jedem Anschein von Arroganz hüten. Eine Justiz, die aus dem absolut geschützten Bereich heraustritt und die um ihr Ansehen werben muß, wird auch verlorenes Terrain gegenüber den privaten Schiedsgerichten gutmachen können, die ihr zunehmend den Rang ablaufen. Die Unabhängigkeit ist durch den Verzicht auf lebenslange Macht nicht in Gefahr. Selbst in demokratischen Staaten wie den USA sind nicht alle Richter auf Lebenszeit bestellt. Dort werden Richter, weil das Recht vom Volk ausgeht, sogar gewählt. Auch die Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind nur für 3 oder 6 Jahre ernannt. Ob ein Bestellungszeitraum von nur 5 Jahren, wie öffentlich genannt, allerdings ausreicht, müsste diskutiert werden. Mit dem Verlust der lebenslangen Arbeitsplatzgarantie müßte jedenfalls eine bessere Bezahlung einhergehen. Wer mit dem Risiko lebt, seinen Job nach Ablauf der Bestellungszeit zu verlieren, soll in seinem Verdienst besser gestellt sein – was sich auch auf die Qualität der Arbeit positiv auswirken sollte.

Richter auf Zeit würden den demütigeren Umgang mit der Macht jedenfalls fördern.

P.S.: Im übrigen meine ich, dass das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten neu geregelt gehört.

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