Das Ende eines Pyramidenspiels

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von Mag.Dr. Georg Vetter

Pyramidenspiele sind dadurch gekennzeichnet, daß seinen Teilnehmern gegen einen bestimmten Einsatz ein Vermögensvorteil in Aussicht gestellt wird, wenn dem System weitere Teilnehmer zugeführt werden, die sich ebenso verhalten. Notgedrungen bricht ein solches System eines Tages zusammen, und die letzten Teilnehmer bleiben als Geschädigte übrig. Solche Spiele sind daher gemäß § 168a des Strafgesetzbuchs nicht nur verboten, sondern auch mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.

Das derzeitige Pensionssystem, das auf dem Versorgungsprinzip beruht, ist im wesentlichen auch ein Pyramidenspiel. Das System lebt davon, daß jeweils eine neue Generation heranwächst, die die Pensionen der vorigen Generation zahlt. Das Pensions-Pyramidenspiel ist natürlich nicht verboten, bricht aber genau so wie jedes andere Pyramidenspiel früher oder später zusammen. Wenn immer mehr Menschen später zu arbeiten beginnen, früher zu arbeiten aufhören und noch dazu immer älter werden, kann das System auf Dauer nicht bestehen.

All jene Politiker, die über Jahrzehnte mit der stereotypen Behauptung der Sicherheit der Pensionen wahlgekämpft haben, waren – leicht erkennbar – von der Wahrheit weit entfernt. 30 Jahre Sozialismus waren 30 Jahre Pyramidenspiel, wobei die Sozialisten, mit Hayek gesprochen, in allen Parteien saßen. Es wurde jene Illusion der Linken verkauft, die sich auf manch einem Brückenpfeiler nach wie vor unter dem Motto „Mehr Lohn, weniger Arbeit“ lesen lässt. Ein solches System, das zu seiner Aufrechterhaltung auf staatliche Zuschüssen angewiesen ist, stellt nicht nur eine dauernde Bedienung auf Kosten der Allgemeinheit dar, sondern verurteilt auch die nächste Generation, verschuldet geboren zu sein. Eine derartige Politik ist in einer alternden Gesellschaft schlicht unverantwortlich.

Wenn die Gewerkschaften sich nun mit Streiks dafür einsetzen, daß auch die nächste Generation noch zu den Gewinnern des Pyramidenspiels zählen soll, vergreifen sie sich in Wirklichkeit an der Zukunft der Kinder. Sie sagen de facto: Leute, arbeitet nicht, damit ihr dann, wenn ihr nicht mehr arbeiten müsst, mehr Geld bekommt. Das kann nicht funktionieren. Skurril wird es, wenn eine verfehlte Verkehrspolitik etwa im Süden Wiens als Druckmittel für die Fortsetzung einer verfehlten Sozialpolitik dienen soll. Wer schließlich mit Worten wie „Überfallsartig“ und „Pensionsraub“ suggerieren möchte, dass die Überwinder dieses Systems die Gauner seien, sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Protagonisten eines Pyramidenspiels diejenigen sind, die auf der falschen Seite stehen. Im übrigen weiß jeder, der Zeitung liest, seit Jahren von der Notwendigkeit einer Reform.

Der Marsch durch die Institutionen hat die nicht gerade für ihre Askese bekannten Funktionäre personell fest mit den Pensionsversicherungsanstalten verwoben. Die Gewerkschaften, die sich einst an der Spitze des Fortschritts wähnten, verkommen zum Pensionistenschutzverband, bevor sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Wer Opposition als Auftrag zur Kultivierung des Neides versteht und das Abstellen von Missständen als Sozialabbau brandmarkt, wird nicht ernst genommen. Die Geschichte der Gewerkschaften begann beim Klassenkampf und endet nun beim Generationenkampf. Getreu dem Motto der Internationalen scheint man dem letzten Gefecht entgegen zu gehen.

Die Jugend hat ein Recht, unbelastet ins Leben zu treten. Sie wird auch immer die Sympathien der Allgemeinheit auf ihrer Seite haben. Die Alten werden sich immer wünschen, daß die Jungen nicht die gleichen Fehler wiederholen, die sie selbst begangen haben. Die Regierung kann sich daher getrost zurücklehnen: Je radikaler sie die Pensionsgerechtigkeit angeht und je mehr sie vom Pyramidenspiel abgeht, desto glaubwürdiger wird ihre Neidbeschwichtigungspolitik und desto mehr werden alle gewinnen.

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Dr.Georg Vetter ist Rechtsanwalt in Wien und Vorstandsmitglied des Clubs unabhängiger Liberaler. Die Erstveröffentlichung dieses Beitrages erfolgte in der Tageszeitung „Die Presse“ am 3.5.2003. Wir danken für die Genehmigung zur Nachpublikation.

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