Die Polizei im Wien des 21. Jahrhunderts

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Polizeipräsident Gerhard Pürstl im Club Unabhängiger Liberaler zu Gast

Der Polizeichef, ein promovierter Jurist, lobt eingangs die im Vorjahr abgeschlossene Neuorganisation seiner Organisation, die eine deutliche Strukturverbesserung bewirkt habe. Pro Bundesland verfüge nun eine einzige Polizeibehörde über alle erforderlichen Kompetenzen. Ineffiziente Parallelstrukturen gehörten damit der Vergangenheit an.

Wien, als einzige große Stadt im Lande, verfüge über 8.000 Polizeibeamte, wobei 1.450 davon mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt seien. Die hohe Konzentration von Regierungsbehörden, Botschaften und Kultureinrichtungen, sowie die Vielzahl an Veranstaltungen, bringe besondere Herausforderungen mit sich. Pro Jahr würden 10.000 Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet - wovon etwa drei bis vier pro Monat als Großereignisse einzustufen seien. Pro Tag langten im Schnitt 3.500 Anrufe über telephonischen Notruf ein, wovon rund eintausend eine Amtshandlung auslösten. 80 motorisierte Streifen und 180 Fußstreifen seien im Einsatz.

Zur Entwicklung der Kriminalität sprach Pürstl von einem insgesamt positiven Trend. Derzeit zähle man zwischen 200.000 und 220.000 Straftaten jährlich. Im Jahr 2003 wären es noch 260.000 gewesen. Diese Statistik sei „fälschungssicher“. Zu einer der Polizei immer wieder vorgeworfenen Schönung der Daten komme es nicht. Bestimmte Deliktarten würden „wellenartig“ auftreten. So habe man es von zehn Jahren mit einer erhöhten Zahl von Autoeinbrüchen zu tun gehabt. Derzeit stünden dagegen eher Raubüberfälle auf kleine Geschäfte (etwa Trafiken), die meist im Zusammenhang mit Drogensucht stehen („Beschaffungskriminalität“), und „kleine“ Vermögensdelikte, wie Taschendiebstähle, im Vordergrund. Die Schwerstkriminalität (Morde) ginge eindeutig zurück. Deren Zahl liege gegenwärtig bei zwanzig bis fünfundzwanzig pro Jahr, während man in früheren Jahrzehnten bis zu fünfzig Fälle gezählt habe.

Die Dienststellenstruktur sei nach wie vor verbesserungswürdig. Kleine Bezirksdienststellen hätten früher bestimmte Aufgaben (etwa im Meldewesen) gehabt, was heute nicht mehr der Fall sei. Deren Schließung scheitere aber oft an politischen Interventionen auf Bezirksebene. In diesem Bereich werde es noch einiger „Überzeugungsarbeit“ bedürfen, um zu einem effizienteren Personaleinsatz zu kommen.

In den Kampf gegen die organisierte Kriminalität werde auch weiterhin viel investiert. Hier gelte es, in grenzüberschreitender Zusammenarbeit, an die Hintermänner heranzukommen, indem man etwa deren Konten abschöpft. Nur so komme man weiter, da der die Tat ausführende Kriminelle vor Ort für die Verbrecherorganisationen leicht ersetzbar wäre. In diesem Zusammenhang wünschte sich Pürstl eine intensivere Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden, um z. B. auch auf dem Gebiet der Bekämpfung von Geldwäsche schlagkräftiger zu werden.

Die Polizei messe dem Bereich Prävention große Bedeutung bei. Hier sei die Kooperation der Bürger gefragt. Beispiel: Haus- und Wohnungseinbrüche. In nur zehn Prozent der Fälle sei eine Alarmanlage vorhanden – nur die Hälfte davon wäre auch aktiviert. Der Bürger könne heute für Beträge von 4.000 bis 6.000 Euro professionelle Anlagen installieren lassen, die mit Sicherheitsdiensten oder direkt mit der Polizei verbunden wären und eine zuverlässige und wirksame Objektsicherung darstellten. Ein wenig mehr Bedachtsamkeit der Bürger könnte etwa auch die Zahl der Taschendiebstähle reduzieren. Wer mit offener Tasche in der U-Bahn fahre, lade potentielle Täter geradezu ein, zuzugreifen.

Zum Problem der Jugendkriminalität wies der Polizeichef auf deutlich gewandelte Wahrnehmungsschwellen hin. Raufhändel mit blutigen Nasen habe es auch früher gegeben, nur habe man damals nicht reflexartig nach der Polizei gerufen. Heute dagegen würden viele im Grunde harmlose Angelegenheiten durch Polizeieinsätze unnötig „aufgeblasen“ und von den Medien dramatisiert. Seine Organisation stecke viel Energie in die Arbeit an den Schulen. Es werde sowohl Täter- als auch Opferprävention betrieben. Man müsse den jungen Leuten nicht nur klarmachen, daß die Begehung von Straftaten das weitere Leben schwer belaste, sondern auch, daß bestimmte Verhaltensweisen einfach unklug seien. Nächtens in der U-Bahn oder auf der Straße unentwegt mit dem neuestes I-Phon zu hantieren, errege möglicherweise die Aufmerksamkeit der falschen Leute.

Der Gewaltkriminalität im Umfeld von Sportveranstaltungen (namentlich Fußball) werde mittels Verbindungsleuten bei den Vereinen begegnet. Durch die namentliche Erfassung einschlägig auffällig gewordener Individuen könnten diese Leute gezielt ferngehalten werden.

Die Kameraüberwachung der Wiener Linien – besonders im Bereich der U-Bahn- sei für die Arbeit der Polizei außerordentlich hilfreich. Oft führten Videoaufzeichnungen zur Ausforschung von Tätern.

Die Straßenprostitution, die in einigen Bezirken zu ständigen Beschwerden geführt habe, sei weitgehend erledigt. Durch eine Liberalisierung des Bordellwesens sei es zu einer weitgehend unproblematischen Verlagerung in den „Indoorbereich“ gekommen.

In der Polizei habe seit einigen Jahren ein deutliches Umdenken stattgefunden. Den früher – zu Recht - kritisierten „Korpsgeist“ gebe es nicht mehr. Die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Polizei sei heute selbstverständlich. Früher gelegentlich vorgekommene, gewalttätige Übergriffe durch Polizisten (etwa um Festgenommene zur Ablegung von Geständnissen zu ermuntern), gebe es nicht mehr.

In der anschließenden Debatte sprach sich Pürstl für ein Überdenken der Lage im Bereich von Fahrlässigkeitsdelikten aus, die in vielen Fällen nicht vor dem Richter enden müssten. Zur Frage des privaten Waffenbesitzes: Er sei für keine weiteren Restriktionen. „Mündige Bürger“ sollten selbst entscheiden, ob sie ein Waffe besitzen wollen oder nicht.

Bei der Cyberkriminalität seien die Möglichkeiten der Polizei beschränkt. Wer über sensible Datenbestände verfüge, müsse selbst für deren Schutz sorgen – das könne die Polizei nicht leisten.

Die Personalrekrutierung gestalte sich schwierig. Jährlich 450 Posten neu zu besetzen, stelle eine Herausforderung dar – obwohl man die Zugangsvoraussetzungen wesentlich verringert habe. Die Alterschranken für den Eintritt in den Polizeidienst lägen nun zwischen achtzehn und fünfzig Jahren. Die Eignungstests wären deutlich erleichtert worden. Dennoch schaffe nur jeder siebente Bewerber diese Hürden. Besonders die Anwerbung von Immigranten scheitere leider oft an den Einganghürden.

Der Einsatz privater Sicherheitsdienste sei „heute nicht mehr wegzudenken.“ Besonders bei Massenveranstaltungen oder im Objektschutz könnte auf private Sicherheitsdienstleistungen nicht mehr verzichtet werden. Er sehe hier jedenfalls keine Konkurrenzsituation, sondern eine notwendige Ergänzung der Polizeiarbeit.

Fazit: Ein insgesamt überzeugender Auftritt eines bescheiden und besonnen wirkenden Pragmatikers ohne Allmachts- oder Unfehlbarkeitsphantasien. Daß ein Exekutivspitzenbeamter keine lautstarken Forderungen nach mehr Geld, mehr Personal und erweiterten (Überwachungs-)Kompetenzen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt, wurde vom zahlreich erschienen Publikum jedenfalls sehr positiv aufgenommen. Die Führung der Wiener Polizei scheint sich in guten Händen zu befinden.

Andreas Tögel

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