Mehr Wende in der Steuerpolitik

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von Mag.Dr. Georg Vetter

Die bevorstehende Nationalratswahl im November 2002 bot Gelegenheit, mit der Wirtschaftspolitik der Regierung abzurechnen.

Während es bei der FPÖ schwerfiel, zu erkennen, wofür sie wirklich steht, wurden von der ÖVP auf ihren Plakaten als Meilensteine der Regierungstätigkeit die Einführung des Kindergeldes, die Abfertigung Neu, die Hochwasserhilfe, ein Konjunkturpaket sowie die Initiative zur Jugendbeschäftigung hervorgehoben. All das lässt uns, pointiert ausgedrückt, fragen, ob wir in den letzten Jahren von einer konservativ-liberalen oder einer traditionell-sozialdemokratischen Mannschaft regiert wurden.

Der finanzpolitische Rahmen

Gemäß dem Bericht des Staatsschuldenausschusses beträgt die Verschuldung der Republik bereits mehr als 15.000,-- Euro pro Kopf. Die Schuldensquote liegt bei über sechzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dieser Zustand soll geändert werden und die Kriterien von Maastricht dienen bekanntlich dazu, die EU-Staaten zur schrittweisen Verringerung ihrer Budgetdefizite anzuhalten. Hinter den klaren Stabilitätskriterien stand in erster Linie der seinerzeitige deutsche Finanzminister Theo Weigel. Er wollte beim Übergang von der D-Mark zum Euro sichergestellt haben, daß die Währung an Härte nichts verliert, wenn der Geltungsbereich des Euros jenen der D-Mark wesentlich übertrifft.

Er wußte, daß in der Währungspolitik die Erhaltung des Geldwertes oberste Priorität haben muß. Denn nichts zerstört eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung so schnell wie kaputtes Geld. Wo das Geld keinen Wert mehr hat, können auch budgetpolitische Maßnahmen nur mehr kosmetischer Natur sein. Eine verläßliche Geldpolitik ist daher viel wichtiger als die Fiskalpolitik, wobei nicht nur eine galoppierende, sondern auch eine schleichende Inflation an einer gesunden Wirtschaft nagt. Wo das Zinsniveau der Inflationsrate entspricht, gibt es keinen Anreiz zum Sparen. Und Sparen ist, allen entgegengesetzten, pseudoökonomischen Argumenten zum Trotz, ein wesentlicher Faktor in einer funktionierenden Volkswirtschaft. Wo das Vertrauen ins Geld verloren geht, schwindet das Vertrauen in die gesamte Ökonomie. Die Deutschen aus den neuen Bundesländern wollten nicht Arbeit, sondern die D-Mark, die für sie Stabilität symbolisierte.

Weigel räumte mit dem Mythos auf, daß zwischen Geldwertstabilität und hohem Beschäftigungsniveau ein Zielkonflikt bestünde. Noch in den 70er Jahren gab man sich mit der Phillips-Kurve - einem ziemlich frei erfundenen, unwissenschaftlichen, wegen seiner Simplizität aber scheinbar einleuchtenden Konstrukt - dem Glauben hin, daß sich Inflation und Arbeitslosenrate indirekt proportional verhielten, und verkannte die wirtschaftsfeindlichen und demoralisierenden Wirkungen einer schleichenden Inflation. Auch die gegenteiligen Lehren aus den 20er und 30er Jahren unseres Jahrhunderts ignorierte man. So als wäre der erste Hauptsatz der Thermodynamik, wonach die Summe der Energieformen konstant ist, auch in der Ökonomie anwendbar, meinten die Ökonomen, sich entweder Vollbeschäftigung oder Geldwertstabilität aussuchen zu können. Politiker stellten die irreführende Frage: "Was ist Euch lieber? 5 Prozent Inflation oder 5 Prozent Arbeitslosigkeit?" Man war daher sehr überrascht, als diese Theorie des Nullsummenspiels 1973 versagte und man bald mit beiden Übeln gleichzeitig konfrontiert war: der Störung des monetären Kreislaufes folgte die Wirtschaftskrise. Man schuf auch gleich einen neuen Namen für dieses "Phänomen": Stagflation nannte man diese Mischung aus Inflation und Stagnation. Manche suchten eine Begründung für die Stagflation in "exogenen Schocks", doch dürfte der Schock über das Versagen der eigenen Theorie noch größer gewesen sein.

Tatsächlich ist es nämlich so, daß Inflation nur einen kurzfristigen Investitionsanreiz bieten kann, langfristig aber Arbeitslosigkeit die Folge der Geldentwertung ist. Zeitverzögert folgt auf Inflation die Rezession, wie Milton Friedman, der Begründer der Chicagoer Schule, nachgewiesen hat. Nach der Entlarvung der keynesianischen Wirtschaftspolitik hat man begonnen, sowohl die Fiskal- als auch die Geldpolitik zu stabilisieren. Bis zum Jahr 2004 sollte es kein Defizit mehr geben. Mit der Hoffnung auf stabile Haushalte verbindet sich auch die Hoffnung auf einen stabilen Euro.

Konvergenzkriterien und Dynamik

Wie alle kleinen EU-Länder kann sich auch Österreich nicht leisten, keine Finanzdisziplin zu zeigen. Der finanzpolitische Rahmen war daher durch strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien gekennzeichnet.

So sehr die Konvergenzkriterien einen durchaus geeigneten, weil nachvollziehbaren Regelungskomplex darstellen, so wenig dürfen sie dazu verleiten, die Dynamik der Wirtschaftspolitik aus den Augen zu verlieren. Dies ist leider geschehen. Die führenden Politiker und Wirtschaftsforscher sind in den letzten Jahren viel zu oft von der Frage ausgegangen, inwieweit eine Steuerreform leistbar sei, wenn trotzdem die Budgetdisziplin eingehalten werden soll. Mit dieser Frage, die von der statischen Grundannahme des gleichbleibenden Steueraufkommens ausgeht, hat sich die Regierung nicht nur den Weg zur Steuerreform und zur Prosperität verstellt, sondern auch ihre eigene Verteilungspolitik unglaubwürdig gemacht.

Warum beschließt eine Regierung, die sparen muß, die Einführung des Kindergeldes? Und warum schnürt Sie ein Konjunkturpaket, selbstverständlich aus Steuergeldern? Die Hochwasserhilfe lasse ich aus, da bei derartigen Katastrophen ein Solidarbeitrag sowieso eine Selbstverständlichkeit des Staates ist. Die Abfertigung Neu begrüße ich prinzipiell, da sie Richtung Zusatzpension geht und Systemungleichheiten des alten Modells beseitigt. Tatsächlich ist ja das System der Abfertigung eine Entmündigung des Bürgers, dem man nicht zutraut, bereits während des Erwerbslebens mit seinem Einkommen wirtschaften und sich etwas auf die Seite legen zu können. Dieses Sparen wird staatlich verordnet, indem die Auszahlung des gesamten Gehalts verboten ist.

Die Regierung meint somit, daß das monetäre Haushalten des Staates erstrebenswert ist und orientiert sich daher an einem auszugleichenden Budget. Wenn die Regierung allerdings das Sparziel durch laufende Einnahmenerhöhungen, die tatsächlich Steuererhöhungen sind (z.B. drastische Erhöhung der Einkommensteuervorauszahlungen) zu erreichen sucht und daher auch die Staatsquote in schwindelerregende Höhen von 45 % treibt, riskiert sie, sich das eigene Wasser abzugraben. Auch Ambulanz- und Studiengebühren werden nur akzeptiert, wenn die Kostenwahrheit und nicht die Erschließung einer Einnahmequelle im Vordergrund steht. Wenn neue Gebühren eingeführt werden, ist eine Tarifreform umso dringender. Wir leben in einer Zeit, die durch den großen Wirtschaftsraum, die Einheit der Währung und die Mobilität der Menschen und des Kapitals sehr rasch Veränderungen erfährt. Das Geld sucht sich ständig seinen besten Wirt. Nicht nur einzelne Menschen, selbst Konzerne wandern in geradezu unglaublicher Geschwindigkeit ab. Wenn der Finanzminister trotz aller aufwendigen Berechnungen am Ende des Jahres plötzlich ein viel höheres Defizit bemerkt – so wie 2002 - , dann hängt dies auch damit zusammen, daß die Steuerlast in Österreich unerträglich geworden ist und die Menschen „mit den Füßen“ wählen.

Die Frage, die die Regierung stellt, kann daher nicht sein, ob wir uns eine Steuerreform leisten können, sondern ob wir uns eine Steuerreform nicht leisten müssen, um Abwanderung und Schattenwirtschaft zu vermeiden. Die Argumentation der Regierung offenbart übrigens nicht nur eine statische Betrachtung des Steueraufkommens, sondern auch eine benevolent-obrigkeitsstaatliche Einstellung, die man eher auf der linken Seite erwarten dürfte. Es geht nicht darum, daß die großzügige Regierung an das Volk von Steuerzahlern Steuergeschenke verteilt. Es geht darum, daß die Regierung den Wirtschaftsprozeß dynamisch betrachtet und durch Steuersenkungen ihr Steueraufkommen optimiert.

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