Schattenwirtschaft: Fluch oder Segen für die legale Volkswirtschaft?
Entwicklungschancen bieten als in der Schattenwirtschaft, die immer mit der Akzeptanz nennenswerter Risken verbunden ist. Denn die Ursachen der Schattenwirtschaft sind ja nur die zu hohen direkten Steuern und die bürokratischen Barrieren in der offiziellen Wirtschaft.
Anstatt diese Ursachen zu beseitigen, wird heute nur von allen "Geschädigten" überlegt, wie man die Schattenwirtschaft durch immer neue Maßnahmen und neue Gesetze bekämpfen könnte. Und die vielen Organisationen, die so unisono gegen die Schattenwirtschaft kämpfen zu müssen glauben, sind:
- Die Handelskammer, als Vertreter der Unternehmer, die ihre Aufträge an die billiger arbeitende Schattenwirtschaft verlieren;
- die Finanzämter, die die Steuerhinterziehung bekämpfen;
- die Marktämter, deren Aufgabe zum Teil in der Bekämpfung der Schattenwirtschaft besteht, und sogar
- die Gewerkschaften, als Vertreter der Nocharbeitsplatzbesitzer, die befürchten, dass die Schwarzarbeiter den legalen Arbeitern ihre Arbeitsplätze wegnehmen könnten.
Durch dieses Lager der vereinigten Streitkräfte gegen die Schattenwirtschaft wird aber die Ursache der Untergrundwirtschaft nicht beseitigt, im Gegenteil, der Unterschied zwischen den niedrigen Kosten in der Schattenwirtschaft und den hohen Kosten in der legalen Wirtschaft wird noch vergrößert. Und dadurch wird die Entfaltung der illegalen Tätigkeiten noch weiter angeheizt.
Schon Hayek hat darauf hingewiesen, dass die Zunahme der Schattenwirtschaft nur eine selbstverständliche Folge der Fehlentwicklung in der offiziellen Wirtschaft zu immer höheren Steuerbelastungen, zu immer mehr Bürokratie und Staatseinfluss ist. Und dass deshalb eine Bekämpfung durch noch mehr Bürokratie meist sinnlos ist, weil gerade diese Bürokratie die Entfaltung der Untergrundwirtschaft fördert.
Deshalb waren und sind auch in den Ländern mit Planwirtschaft, in denen der Schwarzhandel mit der Todesstrafe bestraft wird, die Umsätze auf den illegalen Märkten größer als die der offiziellen Planwirtschaft. Und ebenso wie innerhalb der schlecht funktionierenden Planwirtschaft die Schatten-Marktwirtschaft, in der sich ein Risiko noch lohnt, gut funktioniert, weil es dort auch keine hemmende Bürokratie gibt, entwickelt sich eine zunehmende Schatten-Marktwirtschaft nun auch in der übersozialen Marktwirtschaft.
Diese Entwicklung ist weder durch bürokratische Gesetze noch durch höhere Strafen zu bremsen, sondern nur durch einen radikalen Trendwechsel von der fortschreitenden Nivellierung, Bürokratisierung und Leistungsverhöhnung zu einem System in dem Fleiß, Lernbereitschaft, Mut zum Risiko und Arbeitsmoral wieder anerkannt werden.
Dieser Kurswechsel müsste sowohl durch eine entsprechende Aufwertung des ideologischen und moralischen Stellenwertes der Risikobereitschaft und des Leistungswillens als auch durch eine der Leistung entsprechende Bezahlung erfolgen, die Qualität, Quantität aber auch den tatsächlich erzielten Erfolg einer Tätigkeit berücksichtigt.
Vorläufig werden diese Forderungen aber vornehmlich nur in der Schattenwirtschaft erfüllt.
Auch nach Milton Friedmann ist die Schattenwirtschaft nur ein Beweis für die Kraft des "gesunden Marktes", der sich so oder so durchsetzt:
"Eine gesunde Reaktion auf zu hohe Steuern, zu weit gehende staatliche Eingriffe, in die Wirtschaft, die einzige Chance zur Milderung der Misswirtschaft, die durch eine falsche Wirtschaftspolitik der Regierung verursacht wurde."
Und auch Hankel verlangt wohl mehr aus moralischen als aus wirtschaftlichen Gründen eine Änderung der, durch die Realität bereits überrollten Gewerbeordnung und kontraproduktiven Steuergesetze:
"Wenn immer größere Anteile von Wertschöpfung, Beschäftigung und Sachkapitalfinanzierung außerhalb des tradierten Ordnungsrahmens der legal verfassten Wirtschaft entstehen, als es nach der gesetzten Ordnung sein darf, muss sich diese Ordnung die Frage gefallen lassen, ob sie dann noch stimmt. Insbesondere dann, wenn ihre Selbstschutzmaßnahmen das Übel, das zu bekämpfen ist, nämlich die Schwarzverwertung der in ihrem Verfassungsrahmen überflüssig gewordenen menschlichen Arbeitskraft, nicht vermindern, sondern vergrößern. Akzeptiert man das Grundrecht der freien Arbeit und Selbstbestimmung jedes Humankapitaleigners, wo, wie und wie lange er seine ihm angeborenen und erworbenen Fähigkeiten verwenden und vermarkten will, dann steht dieses Grundrecht über den Organisationsrechten einzelner Gruppen und Interessenten."
Ursachen für die Zunahme der Schattenwirtschaft
- Durch zu hohe Steuern und zu viel Bürokratie wird der Preisunterschied zwischen den in der Selbstwirtschaft und in der Schattenwirtschaft erzeugten Waren und den in der offiziellen Wirtschaft erzeugten immer größer. Aber in der Selbstwirtschaft und in der illegalen Schattenwirtschaft gibt des keine Steuern, keine Lohnnebenkosten; Sekretärinnen, Buchhalter, Steuerberater sind überflüssig und die Verwaltung nahezu kostenlos. Fixkosten für Immobilien, Maschinen und Fahrzeuge sind minimal oder fallen vollkommen fort, wenn die Arbeiten in fremden Räumen verrichtet werden und Maschinen und Fahrzeuge verwendet werden, deren Kosten ein etabliertes Unternehmen trägt. Dazu kommt noch, dass der Schwarzarbeiter oft im Akkord schneller, fleißiger und mit mehr Interesse arbeitet, weil er leistungsgerecht bezahlt wird. Auch auf dem Dienstleistungssektor wird die Differenz zwischen den Kosten, die für die Verrichtung einer Arbeit durch Professionisten zu entrichten ist, und den Kosten, die bei Verrichtung in der Selbstversorgung anfallen oder an Schwarzarbeiter zu bezahlen sind, immer größer.
- Durch die zunehmende Arbeitslosigkeit und die abnehmende Arbeitszeit der Beschäftigten stehen der Schattenwirtschaft immer mehr und billigere Arbeitskräfte zur Verfügung. In der Zeit von 1970 bis 2000 sank in Deutschland die Arbeitszeit von 45 auf 38 Stunden, die Zahl der Arbeitslosen stieg von 200.000 auf 4 Millionen.
- Die Freizeit diente bisher nur der Erholung nach der Tätigkeit in der offiziellen Wirtschaft. Heute wird die Freizeit aber in zunehmendem Maße zur Arbeitszeit für Tätigkeiten nach eigener Vorstellung, die
nun sowohl in der Selbstwirtschaft als auch in anderen Sparten der Schattenwirtschaft zur Befriedigung weiterer Bedürfnisse beitragen.
- Die mit der immer weitergehenden Arbeitsteilung verbundene Zunahme der Entfremdung von der Arbeit, die durch die Trennung von schöpferischer Arbeit und Routinearbeit noch begünstigt wird, führt zu einer Verschlechterung der Arbeitsmoral und zu einer Entwertung der Bedeutung von Arbeitsplatz und Position. Diese sind nicht mehr die erstrebenswertesten Ziele in der Gesellschaft unserer Zeit, sondern Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung zählen heute zu den höher bewerteten Zielen. Die Bedeutung der Stellung im Beruf hat an Gewicht verloren und verliert immer mehr. Der Mangel an Arbeitsfreude im professionellen Bereich und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung im Rahmen der Selbstversorgung sind deshalb noch stärkere Triebkräfte zur Verlagerung der schöpferischen Kräfte vom professionellen Sektor zum inoffiziellen, als die rein ökonomischen Überlegungen.
- Denn die offizielle Wirtschaft verlangt trotz noch soviel zunehmender Mitbestimmung unweigerlich eine Unterwerfung der Mitarbeiter unter eine Organisation des Betriebes, des Kapitalgebers und Eigentümers, ganz unabhängig davon, ob der Staat, ein multinationaler Konzern oder ein privater Unternehmer der Eigentümer des Betriebes ist. Die inoffizielle Wirtschaft, mit ihren kleinräumigen Organisationen oder Einmannbetrieben, ist in Bezug auf die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und zur Ausführung der Arbeit nach eigenen Richtlinien ohne Obrigkeit immer überlegen.
- Schließlich ergeben sich immer wieder Marktlücken, die von der offiziellen Wirtschaft nicht rasch genug erkannt werden und die dann im Bereich der Selbstversorgung oder durch die inoffizielle Wirtschaft gefüllt werden.