Schattenwirtschaft: Fluch oder Segen für die legale Volkswirtschaft?
Gesetze, die nicht die Ursachen, sondern nur die Symptome verbieten, wie Kontrollen durch die Marktämter und Bestrafung jeder von den Behörden nicht genehmigten Tätigkeiten, Betriebsprüfungen durch das Finanzamt und andere bürokratische Maßnahmen, vergrößern nur die Unterschiede zwischen dem im Untergrund und dem in der legalen Wirtschaft erzielbaren Gewinn und begünstigen damit die weitere Entfaltung der Schattenwirtschaft.
Deshalb sollte man eher nach Möglichkeiten suchen, die zunächst die Eingliederung der Selbstwirtschaft und aller legalen Sparten der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft ermöglicht und gleichzeitig die Gewinnchancen durch Risikobereitschaft im illegalen Teil der Schattenwirtschaft verringert und im legalen Teil vergrößert.
Da der Drogenhandel wohl einer der bedeutendsten Faktoren der Schattenwirtschaft ist, der auch enorme Gewinnchancen bietet, erscheint sogar die Frage nach einer möglichen Liberalisierung des Drogenhandels durchaus berechtigt zu sein. Denn sie würde erreichen, dass die Gewinnchancen des Drogenhandels mit einem Schlag nicht mehr höher wären als beim Zigarettenschmuggel und der Umsatz mit Drogen ginge auf alle Fälle auf einen Bruchteil des derzeitigen zurück. Natürlich wäre eine so radikale Maßnahme nur auf internationaler Ebene und nicht in einem einzigen Land alleine möglich, weil sich sonst ja in diesem ein Drogenhandelszentrum enormen Ausmaßes entwickeln würde.
Maßstäbe für den Umfang der Schattenwirtschaft
In den vorhergehenden Abschnitten wurden verschiedene Angaben über den Umfang der Schattenwirtschaft gemacht und gleichzeitig als Kennzeichen der Schattenwirtschaft festgehalten, dass diese von keiner Statistik erfasst wird.
Es ist deshalb wohl notwendig, wenigstens einige Informationen über die Quellen anzugeben, die es überhaupt ermöglichen, den Umfang der illegalen Tätigkeiten abzuschätzen.
Bei diesen Quellen unterscheidet man direkte und indirekte Untersuchungsmethoden. Erstere bestehen nur in der Befragung verschiedener Personen, die als Lieferanten, Konsumenten oder Vermittler an den Vorgängen im Untergrund beteiligt sind. Als Ergänzung dienen Daten der Behörden, in denen Gesetzesverstöße festgehalten werden, wie Akten des Finanzamtes, der Polizei und des Zolls.
Obwohl natürlich alle in der Schattenwirtschaft Tätigen daran interessiert sind, ihre Tätigkeit nicht zuzugeben, ist durch solche Befragungen wider Erwarten doch möglich relativ genaue Angaben über das Ausmaß der Schattenwirtschaft zusammenzustellen.
Der direkten Befragung zufolge arbeiteten in Deutschland 1983 rund 3,3 Millionen illegal Erwerbstätige durchschnittlich 3 Stunden täglich. Das entspräche einem Umsatz von nur 70 Mrd. DM (5% vom BIP). Berücksichtigt man aber, dass Fleiß und Arbeitstempo im Untergrund einen höheren Leistungsgrad ermöglichen, so kann man mit einem Anteil von 7-8% der Schwarzarbeit am BIP rechnen. Der restliche Teil der Schattenwirtschaft entfällt auf schwere Kriminalität, wie Rauschgift- und Waffenhandel, Diebstahl, Schutzgelderpressung, Prostitution usw.
Die indirekten Verfahren verwenden als Maßstab für den Umfang der Schattenwirtschaft veränderliche Größen in der offiziellen Wirtschaft, wie etwa Analysen des offiziellen Arbeitsmarktes, die Veränderung des umlaufenden Bargeldes im Verhältnis zum gesamten Geldumlaufes zum BIP.
Die Verfolgung der Vorgänge am Arbeitsmarkt zeigt zum Beispiel in der BRD die folgende Entwicklung: Die "offizielle Erwerbsquote" betrug 1957 49% der Bevölkerung. 1975 nur noch 40% und 1980 nur noch 38%. Sie ist von 1957 bis 1970 ständig gefallen und nur 1975 infolge einer kurzen Konjunktur nochmals vorübergehend etwas angestiegen und liegt heute bei 36%.
Die durch die Abnahme der offiziellen Erwerbsquote von 49% auf 38% innerhalb von 23 Jahren frei werdenden Arbeitskräfte standen der Schattenwirtschaft ab 1980 zur Verfügung. Die Verschiebung der tatsächlichen Arbeitsleistung von der offiziellen Wirtschaft zur Schattenwirtschaft ist außerdem noch wesentlich größer als die dem Rückgang der Erwerbsquote entsprechende, weil auch die Wochenarbeitszeit in der offiziellen Wirtschaft in dieser Zeit von 45 auf 38 Stunden und die durchschnittliche Lebensarbeitszeit trotz zunehmender Lebenszeit um etwa 3% verkürzt wurde und weil außerdem im Untergrund fleißiger gearbeitet und die Arbeitszeit deshalb besser genützt wird.
Die finanzielle Abwicklung aller Geschäfte im Untergrund erfolgt vornehmlich in Bargeld. Deshalb lässt sich aus dem Umfang des Bargeldumlaufes außerhalb des Bankensektors auf den Umfang der gesamten Schattenwirtschaft schließen. Unter der Voraussetzung, dass die Geldumlaufgeschwindigkeit in der offiziellen und in der illegalen Wirtschaft gleich groß ist, errechnete G. Kirchgässner für die BRD für 1980 einen Umfang der Schattenwirtschaft von 10% des BIP. Im Jahr 1965 ergab die gleiche Kalkulation einen Umsatz der Untergrundwirtschaft von nur 2,5% des BIP, 1966/67 in der Restriktion wieder 5% und im darauffolgenden kurzen Aufschwung im Jahr 1975 wieder nur 2,5%.